Mystery Thriller Band 224
Leute“, sagte sie schließlich mit einem schiefen Lächeln. „Ich muss jetzt echt los. Zu Hause warten noch ein paar Transportkisten darauf, gefüllt zu werden.“
Michael sah sie aus großen Augen an. „Wie? Soll das heißen, du verdrückst dich jetzt sofort? Aber wir feiern doch zum Abschluss immer noch etwas.“
Das wusste Daphne natürlich, es gehörte einfach zu jedem LARP-Wochenende dazu: Essen, trinken, feiern bis in die Nacht, bevor dann alle den Heimweg antraten und zwei, drei Tage voller Action und Spaß hinter sich ließen. Normalerweise hätte sie sich das auch nie entgehen lassen, doch jetzt schüttelte sie bedauernd den Kopf.
„Sorry, Leute, aber es geht echt nicht. Ich hab einfach noch jede Menge zu tun. Trinkt einfach einen auf mich mit, okay?“ Sie nickte den anderen noch einmal zu, dann wandte sie sich ab und machte sich so hastig, dass es einer Flucht gleichkam, auf den Weg zu den Unterkünften. Und in gewisser Weise war es auch eine Flucht, gestand sie sich ein.
Ihr stand einfach nicht der Sinn nach einer Feier mit anschließender großer Verabschiedungsszene. Sie wollte das alles hier einfach nur hinter sich lassen und ohne groß zurückzublicken ein neues Leben beginnen.
In Dedmon’s Landing, einem kleinen Ort an der Küste, der von den jüngeren Einheimischen Deadman’s Landing genannt wurde.
Daphne kannte den Ort gut. Ihre Großtante Edna lebte dort, und Daphne hatte so manchen Sommer bei ihr verbracht und so dort auch einige Leute kennengelernt, mit denen sie sich gut verstand. Dennoch wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, eines Tages mal dorthin zu ziehen.
Doch dann hatte ihr Leben vor ein paar Monaten eine völlig neue Wendung genommen, und jetzt wollte Daphne nur noch weg von hier und etwas tun, das die meisten Leute wohl nur als vollkommen verrückt bezeichnen würden …
Sie erreichte die Hütten, in denen früher einmal die Jugendlichen vom Sommercamp übernachtet hatten. Hier quartierte Mr Stuart, den Daphne wie viele der „Stamm“-Rollenspieler Stu nannte – für die Dauer eines LARP-Events die Teilnehmer ein: Es waren ziemlich schlichte, einfache Unterkünfte mit ungemütlichen Etagenbetten, doch Daphne war auch schon schlechter untergebracht worden.
Was sie störte, war, dass hier wirklich rein gar nichts den Fantasycharakter widerspiegelte, der beim Liverollenspiel so wichtig war. Wenn man abends als erschöpfter Abenteurer in sein Bett fiel, wollte man deshalb noch lange nicht wieder in die Realität zurückkehren. Der Sonntagnachmittag kam erfahrungsgemäß immer schnell genug.
Daphnes Überlegungen kamen nicht von ungefähr: Sie hatte nämlich vor, in Dedmon’s Landing Stu Konkurrenz zu machen. Sie wollte einen Ort für Liverollenspiele erschaffen.
Es war ein Wink des Schicksals gewesen, dass Daphne, nachdem vor sechs Monaten ihre Eltern tragisch ums Leben gekommen waren, bei einem Besuch ihrer Tante in Dedmon’s Landing auf Dedmon House gestoßen war – das alte Mädchenpensionat, das schon seit fast einem halben Jahrhundert leer stand. Da hatte Daphne plötzlich die Idee gehabt, hier draußen LARP-Conventions zu veranstalten. Das Gelände war ideal, das Gebäude war ideal – alles stimmte.
In der Zeit danach hatte sie sich erst einmal in Dedmon’s Landing und der näheren Umgebung umgehört, ob es dort überhaupt Leute gab, die an so etwas Interesse hatten. Und die gab es zur Genüge, wie sich bald darauf herausstellte. So hatte sie also mit Amber und Jack über ihr Vorhaben gesprochen. Die beiden waren in den Wochen, die sie in dem kleinen Küstenort verbrachte, zu so etwas wie Freunde für Daphne geworden. Sie fanden die Idee auch gleich toll und hatten Interesse bekundet, die Sache zusammen mit Daphne anzugehen.
Da hatte Daphne dann nicht länger gezögert und Dedmon House kurzerhand gekauft. Schließlich hatte sie ein kleines Vermögen von ihren Eltern geerbt.
Zu dem Zeitpunkt war das Anwesen noch eine Bruchbude gewesen. Was sich in der Zwischenzeit an diesem Zustand geändert hatte, würde sie morgen sehen, wenn sie am Vormittag Dedmon’s Landing erreichte – und zwar dieses Mal nicht nur für einige Wochen, sondern womöglich für immer …
Hastig packte Daphne jetzt ihre Siebensachen zusammen und verließ eilig die Unterkunft; dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen.
Der Abschied fiel ihr nicht sonderlich schwer.
„Und du hast wirklich kein bisschen Panik?“, fragte Ellen March kopfschüttelnd. „Ich meine, immerhin
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