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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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aus sich herausging, sondern beobachtete, zuhörte, alles in sich aufnahm. So war Brendan; man spürte, dass er die Menschen ein bisschen zu gut kannte und dieses Wissen ihn beunruhigte.
    Er wandte sich Jimmy zu und ihre Blicke trafen sich, der Junge lächelte Jimmy nervös und freundlich an, übertrieb es ein bisschen, als müsse er etwas ausgleichen, was ihm durch den Kopf ging.
    »Kann ich dir helfen, Brendan?«, fragte Jimmy.
    »Ähm, nein, Mr. Marcus, ich hol nur diesen, ähm, diesen irischen Tee, den meine Mom gerne trinkt.«
    »Barry’s?«
    »Ja, der, genau.«
    »Einen Gang weiter.«
    »Oh, danke!«
    Als Pete zurückkam, den schalen Gestank einer hastig gerauchten Zigarette hinter sich herziehend, stellte Jimmy sich wieder an die Kasse.
    »Wann wollte Sal noch mal hier sein?«, fragte Jimmy.
    »Jeden Moment.« Pete lehnte sich gegen den schrägen Zigarettenständer unter dem Behälter für die aufgerollten Rubbellose und seufzte. »Er ist langsam, Jimmy.«
    »Sal?« Jimmy sah, wie sich Brendan und der stumme Ray im Mittelgang mit Zeichensprache verständigten. Brendan hatte eine Schachtel Barry’s unter den Arm geklemmt. »Er ist Ende siebzig, Mann.«
    »Ich weiß, warum er langsam ist«, sagte Pete. »Ich mein ja nur. Hätte ich heute um acht Uhr mit ihm hier gestanden anstatt mit dir, Jim, Mensch, dann säße ich jetzt noch mitten in der Scheiße.«
    »Deshalb teile ich ihn ja auch für ruhigere Schichten ein. Heute Morgen sollten ja auch nicht du und ich oder du und Sal arbeiten. Du und Katie, ihr hättet arbeiten sollen.«
    Brendan und der stumme Ray standen vor dem Tresen und Jimmy bemerkte etwas in Brendans Gesicht, als er den Namen seiner Tochter aussprach.
    Pete löste sich vom Zigarettenregal und fragte: »Ist das alles, Brendan?«
    »Ich … ich … ich«, stammelte Brendan und sah seinen kleinen Bruder an. »Ähm, ich glaub schon. Ich frag Ray noch mal kurz.«
    Wieder flogen die Hände durch die Luft, die beiden Brüder gestikulierten so schnell, dass Jimmy ihnen selbst dann kaum hätte folgen können, wenn sie laut gesprochen hätten. Das Gesicht des stummen Ray war in dem Maße glatt wie seine Hände elektrisiert herumfuchtelten. Jimmys Meinung nach war er schon immer ein unheimliches Kind gewesen, kam eher nach der Mutter als nach dem Vater, in seinem Gesicht lag eine Leere, die wie Trotz wirkte. Einmal hatte er das zu Annabeth gesagt und sie hatte ihm vorgeworfen, voreingenommen gegenüber Behinderten zu sein, aber Jimmy glaubte, dass es etwas anderes war – es war etwas an Rays ausdruckslosem Gesicht und seinem schweigenden Mund, das man einfach mit einem Hammer herausschlagen wollte.
    Sie hörten mit der Zeichensprache auf, Brendan beugte sich über die Süßigkeiten und nahm einen Coleman Chew-Chew-Schokoriegel, was Jimmy an seinen Vater erinnerte, an dessen Geruch in dem Jahr, als er in der Schokoladenfabrik gearbeitet hatte.
    »Und noch einen Globe «, sagte Brendan.
    »Geht klar, Junge«, sagte Pete und tippte ihn ein.
    »Also, Ähm, ich dachte, Katie arbeitet immer sonntags.« Brendan reichte Pete einen Zehner.
    Pete hob die Augenbrauen, während er auf die Taste drückte und die Kassenlade ihm gegen den Bauch sprang. »Verknallt in die Tochter von meinem Boss, Brendan?«
    Brendan guckte Jimmy nicht an. »Nein, nein, nein.« Er stieß ein Lachen aus, aber es erstarb, kaum dass es seinen Mund verlassen hatte. »Ich hab mich nur gewundert, weil, sonst ist sie immer da.«
    »Ihre kleine Schwester hat heute Erstkommunion«, erklärte Jimmy.
    »Ach, Nadine?« Brendan schaute Jimmy mit zu weit aufgerissenen Augen und zu breitem Lächeln an.
    »Nadine«, wiederholte Jimmy und staunte, wie schnell Brendan der Name eingefallen war. »Ja.«
    »Na, dann herzlichen Glückwunsch von mir und Ray.«
    »Alles klar, Brendan.«
    Brendan blickte auf den Tresen hinunter und nickte mehrmals, während Pete Tee und Schokoriegel einpackte. »Tja, also gut, schönen Tag noch. Komm, Ray!«
    Ray hatte seinen Bruder nicht angesehen, als er zum Gehen aufgefordert wurde, setzte sich aber trotzdem in Bewegung und wieder fiel Jimmy ein, was alle meistens vergaßen: Ray war nicht taub, nur stumm. Und Jimmy war sich sicher, dass kaum jemand im Viertel oder sonstwo schon mal so einen gesehen hatte.
    »Hey, Jimmy!«, sagte Pete, als die Brüder fort waren. »Kann ich dich was fragen?«
    »Klar!«
    »Warum hast du so ‘nen Hass auf den Jungen?«
    Jimmy zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, ob das Hass ist. Der ist

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