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Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Titel: Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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krank. Das Gefängnis hat ihn krank gemacht , und ich habe ihn vielleicht getötet!«
    »Du bist ‘ne komische Seele, Nelly. Irgendwo biste unbeugsam wie ’ne Schiffsplanke, anderswo biste sanft wie ’n Baby. Außerdem denkste zu viel hin und her. Leben is‘ Handeln, leben is‘ Jagen! Und Strock is‘ zäh wie Leder. Er wird sich erholen und mein Freund ...«
    »Berny, nicht wahr?« Nell ging es besser.
    Meggy stutzte. »Strock hat geschwatzt, richtig?«
    Nell schwieg.
    »Bernard heißt er. Er wird Strock die Ohren langziehen, wird ihn bestrafen.«
    »Und danach wird es wieder versuchen, falls ich noch solange lebe«, sagte Nell.
    »Das wird er nicht!«
    »Was macht dich so sicher, Meggy?«
    Sie war eine der Ärmsten der Armen, aber als sie nun lächelte, war sie wie ein Engel. »Weil wir beide abhauen!«

12

 
    Der Himmel strahlte blau , und die seltene Herbstsonne wärmte London.
    Kinder rannten ausgelassen hinter einem B all her , und Spaziergänger, die ihre Gesichter mit Schirmen vor der Sonne schützten, flanierten durch die Straßen.
    Nell und Meggy gaben ein seltsames Paar ab. Eine in Lumpen, verdreckt bis in die Haarspitzen, die andere mit reiner Haut, gepflegten Haaren und einem blutbeschmierten Kleid.
    Verwunderte und missbilligende Blicke folgten den Frauen.
    »Wie zauberhaft«, sagte Meggy und blieb vor einem Schaufenster stehen. Sie hüpfte auf und ab wie Kind. »So ’nen Hut hätte ich auch gerne.«
    Der Ladenbesitzer stürmte auf den Gehsteig. »Haut ab!« Seine Wampe schwabbelte über einer engen Hose. »Ihr vertreibt meine Kunden.« Er musterte Nell kurz, blinzelte und ging kopfschüttelnd zurück in seinen Laden.
    »Am liebsten würde ich ihm ...«
    »Is‘ schon gut!«, sagte Meggy. »Gehen wir weiter!«
    Nell bebte vor Zorn. Man sollte diesem arroganten Kerl eine Lektion erteilen.
    Da sie kein Geld hatten, legten sie den ganzen Weg zu Fuß zurück. Im Gegensatz zu Nell hatte Meggy keine Probleme, sich in den verwinkelten Straßen und versteckten Torwegen zurechtzufinden. Londons Straßen waren ihre Heimat. Neben ihr kam Nell sich wie ein hilfloses Mädchen vor.
    Sie waren auf dem Weg nach Stairfield House. Mit etwas Glück waren Drought und Blackhole noch nicht aus Canterbury zurückgekehrt. Nell und Meggy würden ein ausgiebiges Bad nehmen, sich neu ankleiden und Pläne schmieden.
    Dennoch hatte Nell ein schlechtes Gewissen.
    Meggy hinterging ihren Freund. Sie missbrauchte sein Vertrauen , und wenn Nell den Legenden der Straße glauben konnte, würde Meggy für ihre n Verrat hart bestraft werden.
    Was bezweckte Meggy?
    Nell würde sie fragen, später, b ei einem guten Schluck Portwein.
    »Du machst dir Sorgen, richtig?«, fragte Meggy.
    »Ja.«
    »Brauchste nich‘. Mit Bernard werde ich schon fertig. Er is‘ ‘ne gute Seele. Man muss nur wissen, wie man ihn anpackt. Sonst wird ihn die Sache irgendwann umbringen, und was hab‘ ich dann davon?«
    »Hexe«, sagte Nell mit gespieltem Ernst.
    »Manchen Kerlen muss man eben zeigen, wo’s langgeht.«
    »Wie lange werden wir bis Stairfield House brauchen? Mir kommt hier alles so fremd vor.«
    »Wir sind erst zwei Stunden unterwegs.« Meggy bohrte in der Nase. »London is‘ ‘ne große Stadt.«
    »Das merke ich«, stöhnte Nell. Ihre Füße schmerzten.
    »Das wichtigste ist, dass du bald zuhause bist!«
    »Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt will«, sagte Nell. »Stairfield House wird für mich nie wieder sein, was es war.«
    »Ach, Quatsch! Wahrscheinlich sind Bernards Vermutungen nix als Hirngespinste. Außer diesem dummen Siegelring hat er keine Beweise.«
    »Aber ich habe welche!«
    Meggy blieb stehen und starrte Nell an.
    »Ja, ich habe Beweise.«
    »Ich kann’s nich‘ glauben«, stammelte Meggy. »Wieso?«
    »Ich bin in Blackholes Arbeitszimmer eingebrochen.«
    »Ja , und?«
    Es war heraus. Endlich hatte Nell sich offenbart. Sie erzählte Meggy alles. Von der Glaskugel, dem Buch und der Silbermaske. Meggy wurde bleich und hielt sich an einem Laternenpfahl fest.
    »Also noch ‘ne Hexe«, murmelte sie ohne Humor.
    »Meggy, ich ...« Nell legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter.
    »Nee, lass mal.« Meggy schlug die Hand weg.
    Zum ersten Mal sah Nell, wie tief die Augen der jungen Frau lagen, wie eingefallen ihre Wangen waren und wie gebeugt ihre Körperhaltung. Sie soff zuviel und aß zuwenig. Sie schlief schlecht und fror acht Monate im Jahr. Sie war eine zerbrechliche s Geschöpf , und ohne ihren Optimismus und ihre Liebe

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