Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
Nell sich an den Stützpfeiler.
Himmel, sie hatte es vermasselt. Das Messer steckte in Strock und die Luke war wieder verriegelt.
Nell erwachte. Alpträume hatten sie gequält. Ihr ganzer Körper schmerzte. An ihren Händen klebte Blut.
Sonnenstrahlen drangen durch die Holzritzen.
Wie spät war es? Schon Mittag?
Ihr wurde siedend heiß, als sie sich an die letzte Nacht erinnerte. Hatte sie Strock getötet? Ihr wurde übel. Sie musste weg hier. Was gestern geschehen war, konnte nur der Anfang sein. Was plante man noch alles mit ihr?
Sie richtete sich auf. Ihr Kleid war dreckig und mit roten Flecken übersät. Sie hatte sich versündigt. Und sie bereute es nicht. Dieser Mistkerl hatte es nicht besser verdient. Er hatte versucht, sie zu missbrauchen. Schon als Mädchen hatte Nell sich geschworen, niemals zuzulassen, dass ein Mann sie berührte, wenn sie es nicht wollte. Kerle, die es doch versuchten, würden ihr blaues Wunder erleben. Warum hatte sie ihm nicht den Schwanz abgeschnitten? Dann würde sie sich jetzt nicht vor ihm fürchten müssen.
Lag er noch immer unten im Wasser und falls ja, warum hatte ihn noch niemand gefunden? Oder war er in die Nacht geflüchtet, sich versorgen lassen und würde heute zurückkehren , ohne Schnappmesser im Stirnband?
Die Klappe öffnete sich.
Nell schrie auf.
Sofort rann ihr Schweiß über den Körper.
Sie starrte in Meggy s erstaunte Augen.
»Haste Angst vor mir?« Sie schob ein Brot über die Dielen und krabbelte hoch.
»Ach, du bist es ...«, seufzte Nell.
»Was dachtest du denn?« Sie versteinerte regelrecht. »Was is‘ mit deinem Kleid, deinen Händen ... ?«
»Der Irre! Er wollte, er hatte ...«, stieß Nell hervor.
Meggy schüttelte ihren Kopf. Sekunden später begriff sie. »Dieses Schwein!« Sie nahm Nell wortlos in die Arme, drückte sie an sich und wiegte sie tröstend. »Was hat er mit dir gemacht?«
Nell lehnte an Meggys Schulter und berichtete.
Die Frau nickte still. Als Nell endete, drückte Meggy sie von sich und hielt sie an den Schultern fest. Ihre Gesichter waren sich ganz nahe.
»Das hast du toll gemacht, Nelly! Er hat’s nich‘ anders verdient. Hoffentlich isser tot!« Mit ihrem schmutzigen Zeigefinger wischte sie Nell eine Träne von der Wange. »Genug geweint, Nelly. Du bist ‘ne tapfere Frau. Lässt dir nix vormachen, kannst dich wehren. Wenn du willst, kannste noch viel härter sein, ganz bestimmte kannste das. Bist fast wie eine von uns.«
»Liegt Strock noch unten?«
Nell verneinte. »Glaubst du, dann hätt‘ ich nich‘ was gesagt?«
»Aber ja, ach, Meggy, ich bin völlig verwirrt. Vor drei Tagen war mein Leben noch normal. Ich war Hausmädchen bei Sir Blackhole und hatte genug zu essen und zu trinken. Meine Kammer ist zwar klein, aber gemütlich und abgesehen von einem miesen Butler, mit dem ich es zu tun hatte, ging es mir einigermaßen. Adrian ist ein guter Herr. Er hat nie irgendwelche Andeutungen gemacht , und der Abend im Hall Inn war der schönste Abend meines Leben s . Ich ahnte nichts von deinem Bernard oder von irgendwelchen magischen Dingen. Und nun wurde ich entführt, habe Angst um mein Leben, wurde um Haaresbreite missbraucht und habe möglicherweise einen Menschen getötet. Mutig hin oder her, einen Menschen zu töten ist was anderes als eine Ohrfeige. Es ist eine Sünde!«
»Pah, Sünde ... was glaubste denn, wie viele Sünden jeden Tag begangen werden? Ganz London is‘ ‘ne einzige Sünde. Aber die schlimmste Sünde is‘, wenn kleine Kinder vor Hunger sterben oder gute Menschen im Dreck leben müssen, weil sich niemand um sie kümmert. Glaub man ja nich‘, dass alle schwach sind oder dumm. Aber sie haben keine Möglichkeiten, weil die Reichen die Nase rümpfen und auf die Armen runter gucken . Weil die Reichen denken, dass nur sie lieben können und wir Arme Tiere sind. Aber eine arme Mutter liebt ihr Kind genauso, wenn nich‘ mehr, als eine reiche Mutter. Die Reichen finden es schön romantisch, in einem Tanzlokal zu essen, bei Kerzenlicht und so. Wir finden es romantisch, wenn wir auf den Fluss blicken, mit ‘nem Brot auf den Knien, wenn wir an nem Kanten knabbern und uns an den Händen halten, wenn der Mond das Wasser ganz silbrig macht und wir uns innen Arm nehmen. Menschen sind Menschen, egal ob sie zerlumpt sind oder nich‘. Hier drinn en ...« Sie schlug sich leid enschaftlich an die Brust. » sind wir alle gleich. Gut is‘ gut, böse is‘ böse! Und Strock is‘ böse!«
»Er ist
Weitere Kostenlose Bücher