Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Titel: Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
Vom Netzwerk:
Gibt’s eigentlich nur schreckliche Geschichten auf der Welt ?«
    »Jim fing an zu saufen , und als er schließlich krank wurde und einen Job nach dem anderen verlor, waren wir ganz unten. Ich machte Nachthauben für Frauen und verkaufte sie an einen Ladeninhaber. Als ich schließlich meinen Ehering versetzen musste – er brachte mir vier Schilling! – war alles zu spät. Wir saßen oft im Dunkeln, denn wir konnten weder Kerzen noch Kohlen kaufen. Zu dieser Zeit hatte Jim nicht mal was zu sau fen. Endlich bekam er eine neue Arbeit. Er trug eine schwere Tafel auf den Schultern umher, eine Tafel, die man von beiden Seiten lesen konnte. Er bekam einen Schilling pro Tag für sechzehn Stunden Arbeit. Und so ging es weiter. Geld war da - Jim war besoffen. Er verlor seinen Job ... und so weiter! Irgendwann standen die Bullen vor der Tür. Sie holten Jim ab.«
    »Oh , nein«, stieß Meggy hervor.
    »Er hatte den Auftraggeber, der ihn hintergangen hatte, umgebracht!«
    Meggy stöhnte.
    »Jim wurde deportiert. Nun war ich ganz alleine. Ich stellte mich in unzähligen Häusern als Haushälterin vor. Vor knapp einem Jahr gab mir Adrian Blackhole Arbeit . Er akzeptierte mich, wie ich war.«
    »Das gibt’s doch nich’. Das stinkt zum Himmel wie fauler Fisch. Einfach so hat er dich eingestellt?«
    »Ich begreife es auch nicht. Er meint, er brauche keine Papiere, er erkenne einen Menschen, wenn er ihn sehe.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Erkennst du ihn auch, wenn du ihn siehst?«, fragte Meggy.
    »Ich dachte es, aber …« Nell fehlten die Worte.
    »Wenn man dabei ist, sich in jemanden zu verlieben und man hört so Sachen, is’ das nich’ einfach, stimmt’s?«
    »Alles in mir sträubt sich dagegen. Sollte ich mich so sehr geirrt haben?«
    »Wir alle irren uns mal und so. Das is’ ganz normal. Auch wenn’s weh tut.«
    Erneut schwiegen sie.
    Dann erzählte Meggy die Geschichte mit den Maden , und sie lachten wie kleine Mädchen, alberten herum und machten Witze.
    Es war Nacht, als sie sich voneinander verabschiedeten.
    Meggy verriegelte die Klappe von außen.
    Die Handfesseln hatte sie Nell nicht angelegt.
     
     
    Versuche, aus dem Verschlag zu entkommen, erwiesen sich als fatal. Da sie sich nur hopsend bewegen konnte, stürzte sie mehrmals in der Dunkelheit und stieß sich schmerzhaft. Die Luke ließ sich von innen nicht öffnen. Man konnte sie nur offen lassen oder von draußen verschließen. Heftig atmend und verzweifelt gab Nell auf. Sie war todmüde.
    Zitternd lag sie auf der Pritsche, starrte ins Nichts und schlief ein.
     
     
    Ein Kratzen an der Bodenklappe weckte sie. Jemand machte sich am Riegel zu schaffen.
    Sie fuhr hoch.
    Was war das?
    Kam Meggy zurück?
    Oder holte man sie, um sie zu töten?
    Vergeblich versuchte sie, in der Dunkelheit etwas auszumachen. Nun wurde die Klappe nach oben geschoben. Ein Schatten stemmte sich die Leiter hoch.
    »Wer ist da?«, flüsterte Nell. Sie kroch auf ihrer Pritsche zusammen. Sie hatte Angst.
    »Ein Freund«, kam die Antwort. Eine tiefe Stimme, die Nell erkannte.
    Ein Schwefelholz ratschte, wurde hochgehalten und beleuchtete das Gesicht von Prince, dem Irren. Nein, Meggy hatte gesagt, sein Name sei Strock. Unwichtig, wie er hieß, er war verrückt! Das breite Gesicht grinste diabolisch. Die tiefliegenden Augen glitzerten. Schnapswolken um wehten Nell.
    »Was wollen Sie hier?«, stammelte Nell. Sie fror erbärmlich und zog ihre Knie an den Körper.
    »Aber, aber, Schätzchen , warum so ängstlich. Onkel Strock will nur ma‘ nach dem rechten schauen. Will nur sehen, ob unsere Süße auch gut schläft!« Er lachte meckernd , und das Schwefelholz verlosch. Strock fluchte. Er hatte sich die Finger verbrannt.
    »Gehen Sie«, sagte Nell.
    Ratsch! Die Flamme züngelte vor Nells Gesicht. Geblendet schloss sie die Augen. Das Licht schwenkte weg und wurde über die Öllampe gehalten, die Meggy mitgebracht hatte. Strock drehte den Docht hoch . Sein Schatten bäumte sich an den Wänden des Verschlages auf.
    Gebeugt taumelte er zu Nell. Fahrig öffnete er die Knöpfe seines Hemdes. Speichel lief ihm über die Mundwinkel, die unablässig grinsten. »Alleine sein ist nicht gut, Mädchen. Alleine sein macht verrückt! Onkel Strock weiß das. Hat es erlebt. Er kommt, um dir Gesellschaft zu leisten.«
    Nell presste sich an das Holz. Wie ein gefangenes Tier suchte sie einen Ausweg. Strock würde über sie herfallen, denn sie konnte nicht weglaufen.
    »Nu‘ hab‘ keine Angst! Is‘ doch nur

Weitere Kostenlose Bücher