Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
ihnen. Vorsichtig schob er seinen Kopf vor. Es war alles ruhig. Mit wenigen großen Schritten waren sie die Treppe hinauf. Wieder hielt Brad inne. Er lauschte.
Linda drückte sich eng an ihn.
»Was wollen wir tun?«, flüsterte sie.
»Wir sehen zu, dass wir hier raus kommen. Dann nehmen wir uns ein Taxi und machen uns auf nach Biban el-Muluk, zum Tal der Könige. Aber vorher müssen wir noch die Waffen aus der Kabine unseres Käpt’ns holen.«
Akbar murmelte: »Es ist besser, wenn ich vorangehe. Ich kenne den Weg zu meiner Kabine.«
»Darum wollte ich Sie gerade bitten«, antwortete Brad.
Akbar drängte sich an Linda vorbei und übernahm die Führung.
An der Rezeption war alles still. Niemand bewachte den Eingang. Die Boutique hatte geschlossen. Eine Wanduhr zeigte kurz nach 17 Uhr. In einer Stunde würde das Abendessen serviert werden. Es war beunruhigend, sich vorzustellen, dass die Mahlzeiten von Geistern bereitet wurden. Schmackhaft war es dennoch.
Linda fühlte die Strukturtapete in ihrem Rücken. Ihr Atem ging schwer. Brad machte eine entsprechende Handbewegung. Wie Soldaten in einem Einsatz, hetzten sie schnell und doch vorsichtig durch die Rezeption hin zum Ausgang.
Es sah so aus, als würde alles gut gehen. Noch wenige Meter und sie würden den Ausgang zum Pier erreicht haben. Der Ausgang war verlockend. Aber noch hatten sie die Waffen nicht.
Draußen sah alles still und friedlich aus.
»Wollen Sie hier warten?«, fragte Akbar. »Währenddessen hole ich die Pistolen.«
»Wir bleiben zusammen«, raunte Linda.
»Ganz wie Sie es wünschen«, entgegnete Akbar.
Linda fragte sich, was Akbar vorhatte. Wollte er sich aus dem Staub machen? Wer hätte es ihm verdenken können? Niemand konnte und wollte ihn zwingen, sie zu begleiten. Er hatte seine eigenen Probleme als Kapitän eines Geisterschiffes.
»Kapitän Akbar. Wir holen die Pistolen und dann machen Mr Leland und ich uns auf zum Tal der Könige. Was Sie tun, ist Ihre Sache.«
Akbar lachte kurz auf. »Sie haben gut reden. Was soll ich auf diesem Schiff? Mit ihm untergehen vielleicht? Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Es wäre besser, als gemeinsam mit Mamothmas Jüngern zu speisen.«
Akbar blickte sich nicht um. Zielstrebig hasteten sie durch die kleine Halle hinein in einen weiteren Gang. Wo waren die Mitreisenden? Um diese Zeit musste es hier von ihnen wimmeln. Man verließ den Pool, ging auf seine Zimmer, duschte und kleidete sich für das Abendessen an. Die Boutiquen öffneten, und hinter der Rezeption bellte der Angestellte Anweisungen in sein Handy oder in das Telefon.
Heute war alles still.
Unheimlich still.
Linda fühlte sich beobachtet. Waren sie alleine? Oder waren sie schon umringt von Wesen, die unsichtbar waren? Bisher waren alle Mitreisenden zumindest körperlich völlig normal erschienen. Und doch war ihr , als würde sie von vielen lauernden Augen betrachtet.
»Also gut. Wir müssen da lang.« Akbar wies nach vorne.
Sie hasteten durch den Gang, eine Treppe hinab. Vor einer Gabelung blieben sie, eng an die Wand gedrückt, stehen. Sie schwiegen und lauschten. Lachte da jemand? Rauschte dort das Wasser einer Dusche? Oder bildeten sie sich diese Geräusche ein? Aus dem Geisterschiff schien ein Totenschiff geworden zu sein.
»Wir sind gleich da.« Akbar machte einen Schritt vor und wirbelte herum. Er stieß heftig mit Brad zusammen. Dieser prallte rückwärts gegen Linda. Sie waren wieder in Deckung.
»Verdammt, Käpt’n. Was sollte das?«, zischte Brad.
Akbars Stimme zitterte. »Da vorne ... vor meiner Kabine ... sie sind da. Sie warten auf uns. Alle. Alle.«
»Einen Moment.« Brad schob sich an Akbar vorbei und lugte in den Gang hinein. Ruckartig zog er seinen Kopf zurück. »Mist! Der Käpt’n hat recht. Mindestens vierzig Touristen wollen sich über das Essen beschweren.«
»Ich wollte, es wäre so«, seufzte Akbar.
Vierzig Personen! Und doch war alles totenstill!
»Was machen wir nun?«, fragte Linda.
»Sie werden verhindern, dass ich die Waffen aus meiner Kabine hole. Irgendwie scheinen sie zu wissen, was wir vorhaben.« Akbar zog erneut sein nun nicht mehr ganz so weißes Taschentuch aus der Jacke und tupfte sich die Stirn.
»Wir brauchen Ihre Pistolen«, knurrte Brad. »Wer garantiert, dass diese Jünger es tatsächlich auf uns abgesehen haben?«
»Willst du das Risiko auf dich nehmen?«, fragte Linda. »Und warum sonst schleichen wir seit Minuten wie Verbrecher durch die Flure?«
»Waffen, Waffen,
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