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Mythor - 032 - Das Orakel von Theran

Mythor - 032 - Das Orakel von Theran

Titel: Mythor - 032 - Das Orakel von Theran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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gesagt, dass ich von dir spreche, Bruder Mythor«, antwortete Gorel. »In dir sah ich einen vom Tode Bedrohten, der den Schutz des Orakels brauchte. Aber wer weiß, vielleicht wirfst du noch einen Schatten…«
    »Meinst du einen Schatten, der aus dem Wasser kam?« unterbrach ihn Mythor.
    »Du fragst wie ein Kind, das wissen will, wieso die Sonne jeden Abend von der Dunkelzone gefressen und jeden Morgen wieder von ihr ausgespien wird«, sagte Gorel, während er ganz dicht an Mythor herantrat. Jetzt flüsterte er ihm eindringlich zu: »Verlange keine klaren Antworten, das Orakel müsste sie dir geben. Flieh die Oase, bevor die Schatten bedrohlich werden können. Geh fort!«
    »Ich dachte, dies sei eine Freistätte«, sagte Mythor laut.
    »Flieh!« raunte ihm Gorel zu, dann wandte er sich ab und ging eilenden Schrittes fort. Gleich darauf war er zwischen den Zelten verschwunden.
    Mythor sah ihm verwundert nach, während er mit Pandor entlang dem Wasserlauf zum Pfad der Tiere ritt.
    *
    Mythor hatte sich das Orakel von Theran ganz anders vorgestellt: als einen Ort der geheiligten Stille, wo man die Kraft und Herrlichkeit des Überirdischen spürte. Er hatte geglaubt, hier Monumente wie Xanadas Lichtburg und Althars Wolkenhort vorzufinden, die von Menschen bestaunt und verehrt wurden. Er hatte erwartet, auf Schritt und Tritt die Kraft der Weißen Magie zu spüren, umgeben zu sein von Eingeweihten und Wissenden und Weisen, wie der Sterndeuter Thonensen einer war.
    Doch die Wirklichkeit enttäuschte ihn.
    Theran war wie ein riesiger Marktplatz, beherrscht von gemeinem Volk, das nur weltliche Bereicherung im Sinn hatte. Hier bot ein Händler seine Gewürze mit hallender Stimme an, dort feilschte ein verhülltes Weib um den Preis für einen kupfernen Kessel.
    Da war ein Bezirk aus gemauerten Häusern, aus denen das Gegröle der Saufbrüder kam und das Schmatzen derer, die sich der Völlerei hingaben. Tierhälften wurden an Spießen über Feuern gebraten – und das entlang dem Pfad der Tiere. Wurden die Tiere hier auch geschlachtet?
    Mythor fragte sich, ob es überhaupt klug gewesen war, hierherzukommen. Aber wenn er schon sonst nichts in Theran gewann, so hatte ihn die Freistätte davor bewahrt, von Hrobons Pfeil durchbohrt zu werden.
    Eine Schar Kinder tauchte schreiend auf und umringte Mythor auf seinem Einhorn. Sie reckten ihm die offenen Händchen hin, zerrten ihn an den Beinen, bettelten ihn mit ihren hohen Stimmchen an.
    »Ihr haltet mich wohl für einen hohen Herrn, der die Silberlinge nur so aus dem Ärmel schüttelt«, sagte Mythor lachend. Aber ihm verging das Lachen, als die Kinder immer zudringlicher wurden, und Ärger stieg in ihm auf.
    Plötzlich stob die Kinderschar schreiend auseinander und verteilte sich in alle Richtungen. Mythor erkannte sofort den Grund. Vor ihm tauchte ein Orakeldiener in seiner Kutte auf und kam geradewegs auf ihn zu.
    »Ist dies der Pfad der Tiere?« fragte Mythor ihn. »Ich suche das Gehege, in dem ich mein Einhorn und den Wolf unterbringen kann.«
    »Ich habe dich erwartet, Mythor«, sagte der Orakeldiener. »Dein Wolf und dein Falke befinden sich bereits in unserer Obhut. Tiere haben einen feineren Sinn als Menschen und spüren, wo sie gut aufgehoben sind.«
    Mythor fiel erst jetzt auf, dass Hark schon die längste Zeit nicht mehr bei ihm war, und auch Horus war seinen Blicken längst entschwunden.
    Der Orakeldiener ging voran, und Pandor folgte ihm ohne Mythors Zutun. Sie ließen die Häuser und den Lärm hinter sich und kamen in einen Park, der von Tieren bevölkert war. Mythor sah Pferde und Hunde, Kühe und Schafe und schafähnliche Tiere, aber auch viele, die ihm unbekannt waren. Es war fast so wie im Lebensgärtchen um den Baum des Lebens. Aber der erste Anschein trog, denn es gab keine Raubtiere, und Tiere, die in natürlicher Feindschaft zueinander standen, waren auch hier sorgsam voneinander getrennt.
    Mythor kam mit seinem Führer an eine hohe steinerne Mauer, die völlig schmucklos war und verwittert. Sie wirkte uralt, war von Moosen bewachsen. Aus einer Mauerritze wuchs einer der Bäume mit den Lanzenblättern und reckte sich mit verkrüppeltem Stamm dem Licht zu. Als der Orakeldiener Mythors Blick bemerkte, sagte er erklärend: »Die Palme ist das Sinnbild für pflanzliches Leben. In der Oase ist uns dieser Baum heilig. Willst du nun absteigen und deine Pfänder hinterlegen?«
    Der Orakeldiener deutete auf eine Reihe von Öffnungen in der Mauer. Leute, vollgepackt mit

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