Mythor - 032 - Das Orakel von Theran
Gütern, verschwanden darin und kamen mit leeren Händen wieder heraus.
Mythor dachte daran, dass das Leben in der Oase, die Betreuung seiner Tiere und die Aufbewahrung seines Besitzes etwas kosten würden. Denn so viel wusste er längst schon von der Welt, dass man nichts geschenkt bekam.
Darum fragte er besorgt: »Werde ich meine Pfänder wieder auslösen können?«
»Aber gewiss«, sagte der Orakeldiener. »Es ist noch keiner nach Theran gekommen, der seine Schulden nicht tilgen konnte. Du aber hast ein großes Guthaben.«
Mythor sattelte Pandor ab und trug den leonitischen Königssattel mit dem Helm der Gerechten zu dem Eingang, den der Orakeldiener ihm wies. Mythor kam in eine leere Kammer mit einem steinernen Pult darin und einer Tür, die in irgendwelche Räume dahinter führte. Hinter dem Pult stand ein Orakeldiener. Er bedeutete Mythor mit einer Handbewegung, seine Habe vor ihm hinzulegen. Mythor tat es, aber der Orakeldiener forderte mit einer stummen Geste auch sein Gläsernes Schwert. Mythor zögerte, sein Gegenüber wartete geduldig.
Da tauchte in der Tür im Hintergrund ein anderer Orakeldiener auf und sagte: »Fällt es dir leichter, dich von deinen weltlichen Gütern zu trennen, wenn ich dir sage, dass du für alles einen Gegenwert bekommst – und bei der Abreise deine Habe noch dazu? Ich bin Maluk, dir zu Diensten.«
Mythor legte das Schwert ab. Der stumme Orakeldiener lud es zu dem Sattel und dem Helm und verschwand damit durch die Tür.
»Soll ich das so verstehen, Maluk, dass du mir als Begleiter oder Aufpasser zugeteilt bist?« fragte Mythor.
»Deine Unkenntnis in vielen Belangen des Lebens hat sich herumgesprochen, Mythor«, sagte Maluk. »Ich soll dich beraten und dir helfen, alle Hürden zu nehmen. Du kannst mich alles fragen, nur nicht jene Dinge, die dir das Orakel beantworten soll.«
»Hat Gorel dich auf mich aufmerksam gemacht?« fragte Mythor, ohne eine klare Antwort zu erwarten. Er erhielt sie auch nicht.
Maluk sagte: »In Theran gibt es Ohren, die für das Orakel hören, und Augen, die alles sehen. Wer zum erstenmal hier ist, bleibt nicht unbemerkt. Ihm wird ein kundiger Führer beigestellt, der ihm in allen Belangen hilft und ihn vor Torheit schützt. Du bekommst nur, was jedem Neuling zusteht.«
Mythor konnte das nicht recht glauben. Wenn die Orakeldiener sich jedes Neulings persönlich annahmen, dann hätten sie nichts anderes zu tun, als für die Fremden Führer zu spielen. Er vermutete eher, dass er ein Sonderfall war. Aber warum taten Gorel und Maluk so geheimnisvoll?
Der stumme Orakeldiener kam und überreichte Mythor ein verknotetes Lederband. Es waren sieben mal sieben Knoten, die in verschiedenen Abständen zueinander standen. Maluk erklärte dazu: »Das Knotenleder weist dich als Bittsteller aus. Alles, was die Oase zu bieten hat, ist für dich frei.«
Mythor band das Knotenleder an seinem Gürtel fest und trat zusammen mit Maluk ins Freie. Jetzt erst erkannte er, dass der Orakeldiener noch ziemlich jung war, nicht viel älter als er selbst.
»Kann ich mir mit dem Knotenleder auch Speis und Trank verschaffen?« fragte Mythor. »Ich bin hungrig.«
»Die Weisen wissen, warum sie fasten«, sagte Maluk salbungsvoll. »Enthaltsamkeit schärft und stärkt den Geist. Du bist doch nicht hier, um leibliche Genüsse zu suchen, Mythor!«
Mythors Magen gab mit einem nicht zu überhörenden Knurren die Antwort. Aber er hatte keine andere Wahl, als sich zu fügen.
*
Die Nacht brach herein, und jetzt erwachte die Oase erst wirklich zum Leben. Mythor kam sich selbst schon als Jünger eines Ordens vor, als er an Maluks Seite den Weg zurückschritt, den er gekommen war. Ihm stiegen verlockende Düfte in die Nase, die Ohren waren ihm voll von ausgelassenem Gesang, doch durfte er an dem fröhlichen Treiben nicht teilhaben.
»Es gibt sieben Wege nach Theran«, erklärte Maluk. »Du solltest sie wenigstens alle einmal betreten haben. Auf dem Pfad des Geistes bist du gekommen, den Pfad der Tiere hast du kennengelernt. Nun will ich mit dir den Strom des Wissens aufsuchen.«
Sie überquerten den Pfad des Geistes und kamen bald an einen breiten Wasserlauf. Über diesen führte keine Brücke, sondern man musste ihn auf Trittsteinen überwinden.
»Die Quelle entspringt im Inneren Orakel«, sagte Maluk. »Das Wasser wird über Kanäle durch die ganze Oase geleitet. Es gibt Wasserstellen als Tränke für die Tiere, andere für Menschen – und eine gibt es, wo man ein reinigendes Bad
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