Mythor - 050 - Die Mauern von Logghard
Jemon einem Wachtposten ein Losungswort zuraunte. Am Tor musste er die Parole noch einmal wiederholen, bevor sie passieren durften. Die Krieger, an denen sie vorbeikamen, warfen ihnen grollende Blicke zu.
Jemon meinte dazu: »Man muss die Kameraden verstehen, dass sie nicht gerne Dienst in der Unterwelt tun. Aber irgend jemand muss auch die unterirdischen Zufluchtsstätten bewachen. Im Augenblick sind die Asyle verlassen. Aber wenn das Leben in der Stadt zu gefährlich wird, werden die Bewohner nach hier umgesiedelt. Es gibt hier genügend Platz und Sicherheit für alle. Manchmal kommen die Loggharder für Wochen nicht aus der Unterwelt heraus.«
»Es ist ein hartes Leben«, sagte Mythor.
»Ja, aber die Loggharder wissen, dass sie es nicht umsonst auf sich nehmen«, erwiderte Jemon. »Sie sind die wahren Erhalter der Lichtwelt.«
Ohne danach gefragt zu werden, erzählte er nun einiges über die Geschichte der Stadt, beschränkte sich dabei allerdings auf die baulichen Veränderungen.
Einst war Logghard nur ein kleiner Ort, fernab von der Düsterzone. Doch diese breitete sich aus, rückte immer näher und bedrohte schließlich diese Ansiedlung. Die Einwohner wehrten sich verbissen und hielten den Dunklen Mächten stand. Ihr Erfolg sprach sich herum, und es kamen Tapfere von anderen Orten, um den Logghardern beizustehen. Und je stärker die Dunklen Mächte diese Bastion berannten, desto mehr Aufrechte fanden sich, sie zu bekämpfen.
Logghard wuchs, wurde von den Mächten aus der Schattenzone zerstört – und auf den Ruinen wieder aufgebaut. Immer mehr kamen, die es als ihre heilige Pflicht ansahen, hier für die Lichtwelt zu kämpfen, und so vergrößerte sich die Stadt weiter, dehnte sich in die Breite aus und wuchs auf den Ruinen der zerstörten Stadtteile in die Höhe. So ging es generationenlang weiter, bis in die Gegenwart, in der Logghard ein wahres Gebirge von ineinander verschachtelten Gebäuden war.
»Logghard wird ewig währen!« sagte Jemon ergriffen.
»Auch über den 250. Jahrestag der Belagerung hinaus?« erkundigte sich Mythor in der Hoffnung, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Aber Jemon schwieg dazu. Darum entschloss sich Mythor, geradeheraus zu fragen: »Soviel ich weiß, hat Logghard vor allem deswegen solche Bedeutung gewonnen, weil hier ein Stützpunkt des Lichtboten ist. Was kannst du mir darüber sagen?«
Jemon schwieg eine Weile, in seinem Gesicht arbeitete es. »Es steht mir nicht zu, diese Sache mit dir zu erörtern«, sagte er schließlich. »Darüber wird dir der Große Seelenfinger Auskunft geben, zu dem ich dich bringe.«
»Wie weit ist es noch?« erkundigte sich Mythor.
»Der Tempel der Großen befindet sich innerhalb des dritten Walles. Diesen haben wir gerade passiert. Wir sind gleich da.«
Sie mussten eine steile Treppe hinan steigen, die von Öllichtern in großen Abständen nur spärlich erhellt wurde. Mythor hörte hinter sich den Steinmann maulen. Luxon wies ihn mit knappen Worten zurecht, woraufhin Sadagar schwieg.
Mythor hatte während der ganzen Zeit keine Gelegenheit gefunden, sich mit seinen Kameraden zu besprechen. Aber das war auch nicht nötig. Sie wussten, wie sie sich zu verhalten hatten – ausgenommen vielleicht Hrobon, der versuchen würde, seinen eigenen Willen durchzusetzen.
Sie erreichten das Ende der Treppe und kamen an ein eisenbeschlagenes Tor mit einem großen, schweren Eisenring als Klopfer. Bei genauerem Hinsehen stellte Mythor fest, dass die Halterung des Eisenrings wie ein Helm mit drei Hörnern aussah, der ihn sofort an den Helm der Gerechten erinnerte. Nur befand sich an Stelle des blauen Edelsteins in der Stirnklappe die Darstellung eines Auges. Dieses Symbol – der Helm mit einem Auge – fand sich auch, wenngleich vereinfacht dargestellt, auf dem Pyramidenleder, das Mythor von den Orakeltrollen in Theran bekommen hatte. Es stand für den dritten Fixpunkt des Lichtboten, Althars Wolkenhort.
Jemon hatte diese Übereinstimmung ebenfalls erkannt, das merkte Mythor an dem Blick, den er auf den Helm der Gerechten warf, bevor er den schweren Eisenring gegen das Tor schlug.
Schon nach viermaligem Klopfen schwang im Tor ein kleines, vergittertes Fenster auf. Dahinter erschien ein behelmter Krieger. Jemon flüsterte ihm etwas zu, was Mythor nicht verstehen konnte. Gleich darauf schwang einer der Torflügel ächzend auf.
»Ich möchte gerne wissen, was Jemon dauernd zu tuscheln hat«, ließ sich Sadagar vernehmen. »Hat man denn in
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