Mythor - 051 - Vorstoß in die Schattenzone
Er tastete an der Innenseite der Hülle entlang und fand das Ende, das entlang seines Körpers verlief. Also hatte man ihn eingewickelt.
Vorsicht! ermahnte die lautlose Stimme des Rafher-Deddeths. Du darfst mit dem Schleim nicht in Berührung kommen, sonst lässt er dich nicht mehr los. Du bist schon tief im Schlund. Ich erreiche dich fast nicht mehr.
Mythor warf sich einmal herum und dann noch einmal. Nun versuchte er erneut, sich von den Stofflagen zu befreien. Aber er kam noch immer nicht frei. Er spannte seine Muskeln an und warf sich noch einmal herum.
Plötzlich war er frei und hatte das Gefühl zu fallen. Um ihn war ein ohrenbetäubendes Rauschen wie von stürzenden Wassern. Tatsächlich bekam er den Eindruck einer Wand, die ihn an einen zu Eis erstarrten Wasserfall erinnerte.
Im nächsten Augenblick schlug er hart auf und suchte unwillkürlich nach einem Halt. Er fand ihn an einem Holzpfosten, der aus einer Mauer ragte. Mythor klammerte sich daran und zog sich näher. Danach erst sah er sich um.
Für einen Moment stockte ihm der Atem, als er seine Umgebung sah. Er befand sich in einem kreisrunden Schacht aus senkrechten Wänden, die aus einer träge fließenden, zähen Masse bestanden. Darin eingebettet waren Mauertrümmer verschiedener Größe – Rettungsinseln in einem in die Tiefe fließenden Schleim. Auf einem dieser Mauerbrocken befand er sich, aber die Fahrt ging unerbittlich nach unten.
Er warf einen Blick über den Mauerrand und wurde von einem Sog erfasst. Ihn schwindelte. Der Schlund schien endlos zu sein und verlor sich irgendwo in bodenloser Schwärze. Von dort unten kam das Rauschen, das ihn nun nicht mehr an Wasser erinnerte, sondern eher an das Geheul von Dämonen und Ungeheuern.
Er sah hoch. Über ihm flatterte das Leinentuch, in das er eingewickelt gewesen war, im Sog. Er war drei Mannslängen tief gefallen. Welch ein Glück, dass diese Mauer seinen Fall gestoppt hatte.
Aber wie sollte es weitergehen?
Die Mauer, auf der er sich befand, reichte noch etwa zwei Mannslängen in die Höhe. Keine Armlänge darüber ragte aber eine ganze Wand aus dem Schleim, die ihrerseits wieder an eine andere Ruine grenzte. Und alle diese Gebäudetrümmer flossen langsam mit dem Schleim in die Tiefe.
Es schien fast so, als wolle dieser Schlund langsam, aber sicher ganz Logghard verschlingen.
Mythor verdrängte solche Überlegungen und kletterte die Mauer hoch. Er ging überaus vorsichtig zu Werke, um nicht abzurutschen und in die Tiefe zu stürzen. Andererseits versuchte er aber auch, so rasch wie möglich voranzukommen, damit sein Höhengewinn nicht durch die Abwärtsfahrt wieder wettgemacht wurde.
Er erreichte das obere Ende seiner Rettungsinsel und wechselte auf die Mauer über ihm. Hier gab es sogar noch die Überreste einer Treppe und Halteringe in der Wand, an denen er sich hochziehen konnte. Auf diese Weise erreichte er den oberen Abschluss der Wand fast mühelos.
Dort musste er sich jedoch strecken, um die Ruine über sich zu fassen zu kriegen. Als er einen Mauervorsprung erreichte, löste sich ein Stein. Er streifte Mythors Schulter und brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Ein Blick in die Tiefe ließ ihn sehen, wie der Fall des Steines immer schneller wurde, bis er in der Finsternis verschwand.
Ein solches Schicksal wollte er nicht erleiden. Er griff wieder über sich, darauf bedacht, nicht mit dem herunterfließenden Schleim in Berührung zu kommen. Diesmal fand er festeren Halt. Er winkelte die Arme etwas ab und schwang sich dann mit den Beinen hoch. Beim ersten Versuch stießen seine Beine ins Leere, aber beim zweiten konnte er sie um einen aus dem, Mauerwerk ragenden Balken schlingen und sich dann ganz auf den Mauervorsprung ziehen.
Ohne sich eine Atempause zu gönnen, kletterte er die Ruine nach oben. Als er jedoch ihr Ende erreichte, musste er enttäuscht feststellen, dass über ihm nur eine Wand aus zähem Schleim war.
Er wandte sich nach links. Dort bot sich ihm der gleiche Anblick. Doch auf der anderen Seite bot sich eine Rettungsinsel an. Es handelte sich um einen Dachstuhl, der schräg in der Schleimwand hing. Aber er war über eine Mannslänge entfernt.
Mythor wagte den Sprung dennoch. Er durfte keine Zeit verlieren, denn je länger er wartete, desto tiefer sank er mittlerweile. Und so ging er etwas in die Hocke, bevor er sich mit den Beinen kraftvoll von dem Mauerwerk schnellte. Gleichzeitig streckte er die Arme aus.
Für den Bruchteil eines Atemzugs schwebte er frei
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