Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
P ROLOG
Ethram-Fal stand in dem uralten Raum und blickte auf die Knochen hinunter, die dunkel und zerbrechlich in der dicken Staubschicht auf den Steinplatten des Fußbodens lagen. Das rötlich schimmernde Licht der Fackel erfüllte den kreisrunden Raum mit tanzenden Schatten. Ein hochgewachsener Soldat in voller Rüstung stand reglos neben dem Eingang und hielt die Fackel in der Linken empor.
Ethram-Fal kniete, und die grauen Gewänder raschelten, als er einen prunkvollen Dolch mit einer seltsamen unregelmäßigen Klinge aus einer verborgenen Scheide hervorzog. Obgleich der Magier ein junger Mann war, vermittelte die zusammengesunkene Gestalt den Eindruck hohen Alters. Ein dünner brauner Flaum wuchs auf dem vor kurzem kahlgeschorenen Schädel. Gedankenversunken hatte er die dicken Brauen gefurcht. Mit der Dolchspitze stocherte er in den staubigen Knochen auf dem Fußboden. Langsam wallte tiefe Verzweiflung in ihm empor.
Jetzt ist es tot, dachte er. Selbstverständlich ist es jetzt tot, aber ich hatte so gehofft, daß etwas übriggeblieben wäre – und wenn es nur Hüllen gewesen wären. Die Dolchspitze durchwühlte den Staub vieler Jahrhunderte, enthüllte jedoch nichts. Abrupt erhob Ethram-Fal sich. Der Soldat mit der Fackel zuckte zusammen.
»Fänge des Set«, fluchte der Magier. »Habe ich den weiten Weg umsonst gemacht?« Seine Stimme glich einem hohlen Echo. Er blickte nach oben. Die Decke des kreisrunden Raumes war so hoch, daß sie sich jenseits des flackernden Fackelscheins im Dunkel verlor. Auf doppelter Mannhöhe verlief ein Band mit eingemeißelten Hieroglyphen. Bei dem unheimlichen Licht schienen sich die Zeichen qualvoll zu winden.
»Es besteht kein Zweifel«, murrte Ethram-Fal. »Das hier ist der Raum«, und er machte kehrt. Dabei trat er auf etwas, das knackte. Der Magier trat beiseite und schaute nach unten. Er erstarrte.
»Ha! Senke die Fackel!« Gehorsam ließ der Soldat die Fackel sinken, um den Boden zu beleuchten, auf den sich Ethram-Fal wieder niedergekniet hatte. Er war auf eine scheinbar menschliche Rippe getreten und hatte sie dabei zerbrochen. Feiner schwarzer Staub rieselte aus der Bruchstelle. Ethram-Fal stieß einen Triumphschrei aus.
»Selbstverständlich! Es verharrte im Tiefschlaf. Es hat sämtliche Nahrung ins Mark gesaugt und dann in Sporen verwandelt. Möge Set geben, daß noch Leben darin wohnt!« Er hob den Arm. »Ath, hole meinen Schüler!«
Der Soldat verließ den Raum mit der Fackel, so daß Ethram-Fal im Dunkeln zurückblieb. Doch war es für ihn nicht dunkel, denn vor sich sah er seine Zukunft: strahlend hell und ruhmreich. Sein Atem ging schneller, der einzige Laut in der steinernen Stille.
Kurz darauf kehrte Ath zurück. Seine habichtgleichen stygischen Züge waren ernst und teilnahmslos. Hinter ihm lief ein schlanker Jüngling in gelben Gewändern. Er war größer als Ethram-Fal, doch er neigte den Kopf mit dem Kraushaar tief unter das Kinn des Magiers. Dann blickte der Junge mit unverhohlener Ungeduld im Raum umher.
»Ich habe gerade den Männern geholfen, im großen Gemach alles einzurichten«, sagte er frech. »Habt Ihr endlich etwas Nützliches, das ich tun kann?«
Ethram-Fal antwortete nicht, hielt nur den Blick auf die Knochen zu seinen Füßen geheftet.
»Ath, töte ihn!« befahl er plötzlich.
Mit einer fließenden Bewegung riß der Soldat das Breitschwert heraus, stieß es dem Jungen tief in den Bauch und zog es wieder heraus. Der Schüler stieß einen gellenden Schrei aus, preßte die Hände auf den Leib und sank im Staub zusammen. Als der Junge aufgehört hatte zu atmen, säuberte Ath die Klinge an seiner Kleidung und schob sie zurück in die Scheide. Dann schaute er Ethram-Fal erwartungsvoll an. Die Hand, welche immer noch die Fackel hielt, hatte nicht einmal gezittert.
Der Magier holte ein dickes rötliches Blatt aus einem Lederbeutel am Gürtel und gab es Ath, der es sofort in den Mund schob. Der Soldat schloß die Augen und saugte kräftig an dem Blatt.
Ethram-Fal kümmerte sich nicht darum. Behutsam nahm er die zerbrochene Rippe mit Daumen und Zeigefinger auf und ließ sehr vorsichtig den schwarzen Staub auf den Leichnam seines Schülers rieseln. Er leerte das makabre Gefäß überwiegend auf die dunklen Blutflecken um den Nabel. Als kein Staub mehr rieselte, warf er die Rippenstücke beiseite und starrte schweigend auf den Leichnam.
Eine Stunde verging. In dieser Zeit kaute Ath auf dem Blatt und verschluckte es schließlich.
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