Mythor - 051 - Vorstoß in die Schattenzone
unserer Leute haben beobachtet, wie sich ein Priester der Caer mit einem schwarzen Steinblock an Bord der Goldenen Galeere begeben hat.«
»Das war Drudin mit dem Dämon Cherzoon«, erklärte Malver, der das Gespräch mit angehört hatte.
Luxon und Sadagar blickten ihn kurz an, dann nickten sie einander wissend zu.
»Dann ist alles klar«, sagte Sadagar dumpf. »Drudin und sein Dämon haben das Kommando übernommen und steuern die Goldene Galeere in Richtung Schattenzone.«
*
Prinz Nigomir stand mittschiffs und lachte schallend. Es klang krächzend und so rau, als hätte er schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gelacht.
Er brach unvermittelt ab und sagte mit seiner ungeschulten Stimme, die zu gebrauchen er selten genug Gelegenheit bekam: »Ich bin das Zünglein an der Waage!«
Er blickte zum Bug, wo eine Gestalt gegen den Aufbau lehnte. Sie triefte vor Nässe, auf dem wie gläsern wirkenden Gesicht perlten die Wassertropfen. Der Helm aus Knochen saß schief.
»Drudin!« rief Nigomir und lachte wieder, aber Trauer und Wehmut schwanden nicht aus seinem Blick, sie waren tief in seine Augen gebrannt. Er brach sein schauriges Gelächter unvermittelt ab und fügte hinzu: »Drudin mit seinem Dämon Cherzoon. Ihr ruft mich, und ich komme, denn auf mir ruht ein Fluch. Aber jetzt…«
Er blickte zu dem schweren klobigen Schwarzstein neben Drudin. Sie beide, der caerische Oberpriester und der Opferstein aus stong-nil-lumen, waren mit einer Flutwelle an Bord geschwemmt worden, nachdem sich der Eisberg völlig aufgelöst hatte.
»Jetzt aber«, fuhr Nigomir fort, »seid ihr in meiner Abhängigkeit. Denn es herrscht auf meiner Goldenen Galeere ein Gleichgewicht der Kräfte.«
Er wandte den Kopf abrupt zum Heck, wo zwei Männer standen, wie sie gegensätzlicher nicht sein konnten. Der eine groß und kräftig und prunkvoll gerüstet. Der andere so klein wie ein Troll und doch nicht aus diesem Geschlecht, sondern mit einer grünlichen Gesichtsfarbe.
»Mythor!« sagte Prinz Nigomir; er sprach diesen Namen weitaus freundlicher aus als den Drudins. »Mythor und sein Zauberer! Helden einer großen Schlacht. Mythor mit dem Vermächtnis des Lichtboten, stolzer Besitzer des DRAGOMAE. Kämpfer der Lichtwelt! Hier die Kräfte des Lichts, dort die Mächte des Bösen. Ihr haltet euch die Waage, eure Kräfte heben einander auf. Und ich stehe dazwischen und bin das Zünglein.« Prinz Nigomir lachte wieder.
Mythor gab sich einen Ruck und wollte vorstürmen, doch Vangard hielt ihn zurück. »Sei vernünftig, Mythor«, sagte er eindringlich. »Prinz Nigomir hat recht. Wenn du Drudin und seinen Dämon zum Kampf stellst, dann ist das unser aller Ende. Das Kräfteverhältnis ist ausgeglichen, es kann keinen Sieger geben, nur Besiegte.«
»Ich habe es mit Aubriuum aufgenommen, ich werde auch Cherzoon schlagen«, sagte Mythor.
»Wir sitzen im wahrsten Sinne des Wortes in einem Boot«, sagte Vangard. »Und muss ich dir das Sprichwort vor Augen halten, von jenem, der den Ast abhackt, auf dem er sitzt? Du dienst niemandem, wenn du dich mit Cherzoon zusammen in den Tod stürzt. Auf dich warten noch ganz andere Aufgaben.«
»Was sollen wir dann tun?« fragte Mythor.
»Warten wir erst einmal Prinz Nigomirs Entscheidung ab«, antwortete Vangard. »Wir werden ihr uns fügen müssen.«
»Zum erstenmal, seit der Fluch meines Vaters auf mir lastet, kann ich wieder frei entscheiden«, rief Prinz Nigomir. »Und ich werde davon Gebrauch machen. Du, Cherzoon, bist in der Schattenzone beheimatet. Du sollst dorthin zurückkehren dürfen. Und du, Mythor, du willst wissen, was hinter der Schattenzone liegt. Du sollst deine Chance erhalten. Und auch ich will die meine ergreifen. Ich will diesen Fluch loswerden, egal um welchen Preis. Also haben wir alle das gleiche Ziel. Unser Kurs steht fest. Schattenzone – wir kommen!«
»Nicht!« warnte Vangard, als Mythor sich anspannte. »Füge dich, wir haben keine andere Wahl.«
»Aber… Logghard!« rief Mythor.
Vangard nahm ihn unter dem Arm und schob ihn in die Kapitänskajüte. Dabei sagte er: »Ich habe dir einiges zu erzählen. Wenn du mich angehört hast, wird es dir vielleicht leichter fallen, dich Prinz Nigomirs Entscheidung zu beugen.«
Mythor betrat die Kabine – nicht zum erstenmal. Er war schon einmal an Bord der Goldenen Galeere gewesen. Damals waren Herzog Krude und seine Tochter Nyala bei ihm gewesen. Er hatte sie als Pfand auf Nigomirs Galeere zurückgelassen und damit große Schuld auf sich
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