Nachrichten aus einem unbekannten Universum
seiner Meinung nach nie hätten ernst nehmen dürfen: Schließlich sei dieser Alfred Wegener einem Kuckucksei entschlüpft, weil eigentlich nur Astronom und Meteorologe. Den Siegeszug der Plattentektonik konnte der Schrumpelpapst indes nicht aufhalten. Dummerweise hatte Wegener nicht viel davon. Es ist den eisigen Temperaturen, möglicherweise auch einem Herzinfarkt geschuldet, dass Wegener 1930, an seinem 50. Geburtstag, in Grönland den Tod fand — ein mutiger und weitsichtiger Forscher, der nie vermocht hatte, seine Theorie stichhaltig zu begründen. Mal erklärte er, Sonne und Mond zerrten an den Landmassen, dann wieder fabulierte er über eine ominöse Polfluchtkraft, infolge derer alles Land zyklisch zum Äquator strebe. Hätte der Vater der Plattentektonik über die Messdaten eines Satelliten verfügt, um Langzeitbeobachtungen der Erdoberfläche durchzuführen, wären Suess’ Schrumpeljünger schnell in sich selbst zusammengeschrumpft: Aus Messungen wissen wir, dass die Kontinente jährlich drei bis fünf Zentimeter wandern. So aber musste Wegener sich als Märchenonkel verspotten lassen. Vielleicht — im Hinblick auf Scheherezade und die Gebrüder Grimm - mag er zeitlebens Trost darin gefunden haben, dass auch Märchenerzähler zu Weltruhm gelangen können.
Über das Erdinnere wusste Wegener ebenso wenig Bescheid, sonst wäre ihm klar gewesen, dass es die Konvektionsströme im Erdmantel sind, denen sich die Plattenbewegung verdankt. Unablässig wird dort flüssiges Mantelgestein um- und umgewälzt und dabei auf unterschiedliche Temperaturen erhitzt. Je heißer, desto leichter wird es, und was leicht ist, steigt nach oben. Weil das Defizit ausgeglichen werden muss, sinkt kühleres Gestein ab und hält den Strömungskreislauf in Gang. Die aufsteigende Schmelze bahnt sich ihren Weg, bis sie mit Wasser im Meeresboden reagiert und diesen durchbricht. Das Resultat sind Tausende von Kilometern lange klaffende Schluchten, Austrittszonen für Lava, die im kalten Tiefenwasser erstarrt, dem Meeresboden Masse hinzufügt und ihn langsam auseinander presst. Beiderseits dieser Spreizungsachsen haben sich so mit der Zeit poröse Gebirge aufgewölbt, Mittelozeanische Rücken, und weil immer neue Lava nachfloss, geriet der Meeresboden selbst in Bewegung und schob sich langsam auseinander. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Mit zunehmender Entfernung von den Schluchten kühlt er ab, wird fester und flacher. Viele Millionen Jahre später stößt er auf Land, was eine wichtige Frage aufwirft:
Wohin mit ihm?
Wir könnten uns den Bau von Küstenstädten sparen, käme da ständig Boden aus dem Meer gekrochen. Nun haben wir aber gesehen, dass Kontinente leichter sind als Meeresboden — alle Kontinente zusammen wiegen gerade mal 0,4 Prozent der gesamten Erdmasse. So schiebt sich die schwerere Meereskruste unter die kontinentale Platte, wird in den Erdmantel gedrückt und dort aufgeschmolzen. Man nennt dieses Phänomen Subduktion. Wie zum Beweis sind kontinentale Kerne bis zu 3,5 Milliarden Jahre alt, der älteste intakte Meeresboden hingegen lediglich 200 Millionen Jahre. Zögern Sie also nicht, schnell nochmal auf die Kanaren zu düsen. Inseln sind im Gegensatz zu Kontinenten Teil des Meeresbodens und werden von diesem mitgeschleppt. In einigen Millionen Jahren scheppern Lanzarote, Fuerteventura und so weiter gegen Marokko und zerbröseln am Gestade der Westsahara.
Allerdings sind nicht alle Kontinentalränder automatisch Subduktionszonen. Vielmehr spricht die Geologie von aktiven und passiven Rändern. Man muss sich vorstellen, dass so ein Kontinent schwer in Bedrängnis ist. Nehmen wir exemplarisch Amerika, eingefasst vom Atlantik im Osten und vom Pazifik im Westen, beides Ozeane, in denen Meeresboden kontinuierlich auseinander driftet. Das heißt, Amerika bekommt von beiden Seiten Druck. Nun sind aktive Kontinentalränder immer Teil aufeinander zustrebender Platten, passive hingegen solche, wo zwei Platten sich voneinander wegbewegen. Dort wachsen die Kontinente flach ins Meer hinaus, lagern sich Sedimente an und tragen zu neuer Landbildung bei, während der enorme Druck auf der anderen Seite die Küsten bollwerkartig aufwölbt, Tiefseegräben und Vulkanketten formt und schwere Beben erzeugt. Beständig ruckelt es in der aktiven Zone, wenn sich unterseeische Berge unter dem Kontinentalsockel verhaken und schließlich losreißen. Dann kann es geschehen, dass riesige Teile Meeresboden einfach auseinander brechen,
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