Nacht der Dämonen
weiß nicht, welcher.«
Tiefer Hohn sprach aus Keldums Stimme: »Was sagen deine Knochen dir jetzt, Peth?«
»Sie sagen, dass dies ein eigenartiges Land ist. Der Mond ist hier fast wie ein Lebewesen. Der Tod ist hier, Magie, und auch mächtige Geister sind hier zu finden. Zauberei – Böses – Tod, …«
»Tod?«
Peth kniete sich ins Gras. Er sammelte die Knöchelchen ein, stand auf und blickte zu dem weißen Mond hoch. Die Knochen rasselten in seinen Händen.
»Tod?« wiederholte Keldum ungeduldig.
Peth nickte. Er schüttelte die Knöchelchen, ließ sie auf den Boden fallen – und holte hörbar erschrocken Luft.
Keldum stieß eine Verwünschung hervor, kam näher heran, stampfte mit beiden Füßen auf die Knochen und drückte sie in den weichen Boden.
Peth blickte mit weit aufgerissenen Augen hoch.
»Willst du mir jetzt endlich antworten?« brüllte Keldum. Sein Gesicht war finster vor Wut.
Peth richtete sich auf, blickte Keldum fest an. Seine Fäuste, die er auf die Hüften gestützt hatte, zitterten, und einen Moment kämpfte der Seher in ihm mit dem Soldaten.
»Antworten? Euch?« entgegnete er flüsternd. »Ich? Ein ausländischer Halunke? Ein Knochenwerfer?«
Keldum funkelte ihn an – und lachte plötzlich barsch. »Ja. Es war dumm von mir, dich auch nur einen Moment ernst zu nehmen!« Er machte einen Schritt zurück.
Peth bückte sich wieder nach den Knöchelchen. Mit den Fingern grub er sie aus dem Boden, schob sie hastig in den Beutel zurück, dann stand er auf und ging zu den anderen Soldaten.
Keldum blickte ihm nach und lachte, um sich selbst zu beruhigen. Sich weiter aufzuregen führte zu nichts. Er war müde, frustriert, aber – bei Anu – kein Dummkopf von shemitischem Söldner würde ihm mit seinen Zauberknochen Angst einjagen. Er streckte sich und machte sich daran, zu seinem Nachtlager zurückzukehren …
Und spürte die leichte Brise, die mit dem Gras spielte.
Unsicher schaute Keldum sich um. Das Land kam ihm seltsam und fremdartig vor, wie es so in seiner scheinbar endlosen Weite im bleichen Mondschein lag.
Verärgert über sich selbst spuckte er ins Gras und beschloss erst noch eine Runde um das Lager zu machen, ehe er sich zur Ruhe legte.
Sie hatten außerhalb der Stadtmauer junge Frauen geopfert. Sonja sah sie, als sie näher kam. Sie waren an Pflöcken im Boden gebunden, und das Blut an ihnen begann zu verkrusten. Der Rotschimmel schnaubte bei diesem Blutgeruch und scheute. Sonja saß nicht ab, sondern lenkte ihn trotz seines Widerstrebens näher an die Toten heran.
Sechs junge Frauen waren es, nackt, mit langem Haar, an Hand- und Fußgelenken gebunden, die weißen Körper voll klaffender Wunden. Sie waren noch nicht sehr lange tot. Abscheu erfüllte Sonja, nicht allein der Gräueltaten wegen, sondern auch, weil die bedauernswerten Opfer offenbar von ihren eigenen Leuten getötet worden waren, vermutlich in einem religiösen oder magischen Ritual. Fluchend wandte sie den Blick ab.
Die Stadtmauer war nahe hinter den Toten. Den größten Teil der Lichter, die sie aus der Ferne gesehen hatte, verbarg nun diese Mauer. Nichts regte sich davor, und nur wenige Fackeln brannten hoch oben auf den Zinnen der Brustwehr. Bei einem näheren Blick sah Sonja Soldaten auf der Mauer patrouillieren.
Sie beobachteten sie und riefen nun: »Wer da?«
»Eine Reisende!« rief Sonja zurück und hielt ihren Hengst an. »Ich bin seit drei Tagen unterwegs und hungrig und müde. Auch mein Pferd müsste versorgt werden. Lasst ihr mich ein?«
».Eine Frau, bewaffnet und in Rüstung«, sagte einer der Soldaten.
»Lasst ihr mich ein?« fragte die Rote Sonja erneut.
Ein paar Gesichter verschwanden hinter den Zinnen. Nach einer Weile wurde das Tor vor Sonja gerade weit genug geöffnet, dass sie hindurchreiten konnte.
Ein Trupp Soldaten beobachtete sie, als sie absaß. Das Tor wurde hinter ihr sofort wieder geschlossen und verriegelt.
Der wachhabende Offizier kam auf sie zu, gefolgt von zwei Soldaten mit Fackeln.
»Wie ‚heißt du, Fremde?«
»Man nennt mich Rote Sonja, ich bin Hyrkanierin.«
»Du trägst Waffen und Rüstung. Warum?«
»Ich bin Kriegerin.«
Einige Männer lachten spöttisch. Trotz ihrer Müdigkeit warf Sonja ihnen einen harten Blick zu.
»Hast du dich verirrt, dass du hierhergekommen bist?« fragte der Offizier.
»Nein. Ich bin müde, mein Pferd ist fast am Ende seiner Kraft. Ich ersuche euch nur um ein Nachtquartier, Essen und Wasser für mich und mein Pferd, und
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