Nacht der Dämonen
Auskunft. Am Morgen reite ich weiter.«
Der Offizier, ein gutaussehender Mann in seiner prächtigen Rüstung, trat näher an Sonja heran. Er wusste offensichtlich nicht, was er von ihr halten sollte, und zupfte an seinem Bart. »Dies ist eine kleine Stadt. Wenige Besucher finden hierher. Wir sind von der Außenwelt so gut wie abgeschnitten; nur einmal im Jahr macht eine Karawane aus dem Süden bei uns Rast. Wir können dich unterbringen – das ist kein Problem –, aber am Morgen dürfte es angebracht sein, dich Hefei vorzustellen, die uns regiert.«
»Ich bin gern bereit, Lady Hefei morgen meine Aufwartung zu machen, aber im Augenblick sind ich und mein Pferd hungrig und müde.«
»Eine Stallung ist ganz in der Nähe«, versicherte ihr der Offizier. »Komm!« Er deutete, und ein Soldat reichte ihm seine Fackel. Die anderen kehrten auf ihre Posten zurück. Sonja folgte mit ihrem Rotschimmel am Zügel dem Offizier.
»Wie heißt du?« fragte sie ihn.
»Sobut. Für eine Hyrkanierin sprichst du gut Zamorianisch.«
»Ich bin schon seit vielen Jahren fern meiner Heimat umhergereist.«
»Und du bist Kriegerin?«
Sonja nickte, und Sobut ging nun schweigend quer über den Platz zu einer Stallung. Ein kühler Wind pfiff über die Mauer und erstarb in der Enge der Stadt. Die Fackel des Offiziers flackerte und erlosch fast, doch dann brannte sie wieder gleichmäßig.
»Hat eure Stadt einen Namen, Sobut?«
»O ja – Elkad.« Er grinste. »Warum sollte sie keinen haben?«
»Sie – sie liegt so abgeschlossen.« Sonja schaute sich ein wenig verwirrt um. Die Stadt war offenbar sehr alt und hätte besser erhalten sein können. Die Menschen hier sprachen Zamorianisch – das heißt, zumindest Sobut –, doch irgendwie erschien sie ihr fremdartig. Sie wirkte tot, die Bevölkerung hier war zweifellos im Lauf der Zeit geschrumpft. Wie viele Menschen lebten wohl hier? Und warum lebten sie hier?
Sie erreichten die Stallung. Sonja führte ihren Hengst zu einem Steintrog, wo sie ihn saufen ließ, dann zu einer Krippe, wo er sich über das Heu hermachte, während sie sich müde auf eine Bank setzte. Sobut steckte die Fackel in eine Wandhalterung neben der Stalltür, dann wandte er sich der Frau zu und musterte sie eingehend.
»Es ist spät.« Er deutete mit dem Kopf auf den jetzt hoch am Himmel stehenden Mond.
»Ja. Darf ich hier im Stroh bei meinem Pferd schlafen?«
»Wenn du möchtest. Du könntest aber auch bei …«
»Es ist mir hier sehr recht«, unterbrach sie ihn, ohne ihn anzusehen.
»Wie du willst. Ich werde dir Brot und Dörrfleisch bringen.« Aber er ging nicht.
Sonja fühlte sich hier nicht sonderlich wohl. Die ganze Stadt erschien ihr seltsam und – unwirklich. Sie war nicht wie das Grenzfort, das sie verlassen hatte, so gefährlich es dort auch gewesen war, und auch anders als jede Stadt, in die sie bisher gekommen war – und das waren sehr viele gewesen. Sie spürte etwas … Unheimliches in der Luft.
Sie schaute zu Sobut hoch. Er war ein kräftiger Mann, sein Gesicht im Schatten des Fackelscheins dunkel und durch den Bart und Schnurrbart noch dunkler wirkend, ein Eindruck, den auch die ernsten Augen nicht milderten. Doch nicht er war es, der dieses ungute Gefühl in ihr weckte.
»Diese Frauen vor der Mauer – wurden sie geopfert?« fragte sie ihn.
»Ja«, antwortete Sobut. »Stört dich das, Hyrkanierin?«
»Stören?« Sonja runzelte die Stirn. »Das dürfte wohl nicht das richtige Wort sein. Weshalb findet ihr es notwendig, Frauen an Pflöcke zu binden und sie zu peitschen, bis sie verbluten?«
Jetzt runzelte Sobut die Stirn... »Es ist ein seltsames Land hier«, sagte er. »Der Wind und der Boden unter den Füßen sind seltsam. Das alles gehört dem Erdvolk. Man glaubt hier, das Erdvolk regelmäßig besänftigen zu müssen, sonst …«
»Das Erdvolk?« echote Sonja unsicher.
»… sonst wird es uns vernichten. Also bringen wir in gewissen zeitlichen Abständen Opfer. Bald wird der Mond weitere verlangen. Die Zahl der Opfer erhöht sich ständig.« Er blickte Sonjas Rotschimmel an. »So leben wir. Willst du ihn jetzt in eine Box bringen?«
Sonja nickte. Sobut kam näher heran. »Du findest vielleicht unsere Art zu leben merkwürdig«, sagte er. »Aber ich finde es merkwürdig, dass eine Frau wie du alleine reist, mit nur einem Pferd und einem Schwert als Begleitung.«
Sonja blickte ihm in die Augen. »Wirklich?«
»Ja. Eine Kriegerin – mit Flammenhaar.«
Seltsame Stadt, dachte Sonja.
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