Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
sie könnte ihr einen Trank machen. Na so was. Zehn zu eins kann sie’s nicht mal. Entweder hat sie angegeben, oder sie hat uns schocken wollen. Teenager machen das nämlich.«
    »Du verteidigst sie auch noch.«
    »Natürlich verteidige ich sie. Sonst tut’s ja keiner. Das arme Mädchen hat letzten Sommer die Hölle durchgemacht. Bevormeine Mutter gestorben ist, hat sie mich noch gebeten, mich um Savannah zu kümmern –«
    »Das hat dir diese Frau jedenfalls erzählt.«
    »
Diese Frau
ist eine Freundin von mir. Du glaubst nicht, dass meine Mutter mich gebeten hätte, Savannah aufzunehmen? Selbstverständlich hätte sie’s getan. Das ist nämlich unser Job – unsere Schwestern zu beschützen.«
    »Nicht, wenn das Risiko besteht, dass wir uns dabei selbst in Gefahr bringen.«
    »Seit wann ist es wichtiger –«
    »Ich habe keine Zeit, um mit dir zu streiten, Paige. Entweder du redest mit Savannah, oder ich mache es.«
    Klick.
    Ich knallte den Hörer auf das Gerät und stelzte aus meinem Büro, wobei ich all das vor mich hinmurmelte, das ich gern zu Victoria gesagt hätte. Ich wusste, wann ich den Mund halten musste, obwohl Wissen und Tun manchmal zwei sehr unterschiedliche Dinge waren. Meine Mutter war die Diplomatin gewesen. Sie hatte Jahre darauf verwendet, eine einzige kleine Änderung in den Gesetzen des Zirkels zu bewirken, hatte alle gesträubten Federn geglättet und ihre Sache mit einem Lächeln vertreten.
    Jetzt war sie fort. Ermordet; neun Monate war es her. Neun Monate, drei Wochen und zwei Tage. Mein Hirn führte die Rechnung ungefragt durch und riss dabei den Deckel von dem fest verschlossenen Quell des Kummers. Ich klappte ihn hastig wieder zu. Sie hätte das nicht gewollt.
    Ich bin aus einem einzigen Grund auf die Welt gekommen. Im Alter von zweiundfünfzig Jahren, nach einem Leben, in dem sie zu viel zu tun gehabt hatte, um an Kinder zu denken, hatte meine Mutter sich im Zirkel umgesehen und keinebrauchbare Nachfolgerin gefunden. Also suchte sie sich einen geeigneten »Spender« und empfing mit Hilfe von Magie mich. Eine Tochter, geboren und erzogen für die Aufgabe, den Zirkel zu führen. Jetzt, nachdem sie nicht mehr da war, musste ich ihr Andenken ehren, indem ich diese Bestimmung erfüllte, und ich würde es tun, ob es den Ältesten nun gefiel oder nicht.

    Ich ließ meinen Computer stehen. Victorias Anruf hatte jedes Interesse am Programmieren verfliegen lassen. Wenn ich in diese Stimmung geriet, musste ich etwas tun, das mich daran erinnerte, wer ich war und was ich erreichen wollte. Und das bedeutete, meine Formeln zu üben – nicht die vom Zirkel abgesegneten Formeln, sondern die Magie, die der Zirkel verbietet.
    Im Schlafzimmer schlug ich den Teppich zurück, schloss die Klappe des Geheimfachs unter den Dielen auf und zerrte einen Rucksack heraus. Dann beugte ich mich nach unten, griff tiefer in das Loch hinein, schob einen versteckten Riegel zurück, öffnete ein zweites Abteil und holte zwei Bücher heraus. Meine geheimen Grimorien. Ich steckte die Bücher in die Tasche und machte mich auf den Weg zur Hintertür.
    Ich zog mir gerade die Sandalen an, als der Knauf der vorderen Tür sich drehte. Ich sah auf die Uhr. Drei Uhr nachmittags. Savannah kam erst um drei Viertel vier aus der Schule; deshalb hatte ich ja geglaubt, noch fast eine Stunde Zeit zum Üben zu haben, bevor ich ihr den nachmittäglichen Imbiss hinstellen musste. Ja, Savannah war eigentlich zu alt für das Schulschluss-Ritual mit Milch und Keksen, aber ich führte es unweigerlich Tag für Tag durch. Seien wir doch ehrlich, mit meinen dreiundzwanzig Jahren war ich nicht gerade überragendgut qualifiziert dafür, den Mutterersatz für einen Teenager abzugeben; für sie da zu sein, wenn sie aus der Schule kam, war immerhin eine Sache, die ich tun konnte.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, während ich in den Flur lief.
    »Alles in Ordnung?«
    Savannah tat ein paar Schritte rückwärts, als fürchtete sie, ich könnte etwas Übereiltes tun – sie in den Arm nehmen zum Beispiel. »Lehrerkonferenz heute. Nachmittag frei. Weißt du noch?«
    »Hast du’s mir denn erzählt?«
    Sie rieb sich die Nase und erwog, ob sie mit der Lüge durchkommen würde. »Hab’s vergessen. Aber ich hätte Bescheid gesagt, wenn ich ein Handy hätte.«
    »Du kriegst ein Handy, wenn du die Gebühren bezahlen kannst.«
    »Aber ich bin zu jung, um einen Job zu finden!«
    »Dann bist du also zu jung für ein Handy.«
    Altbekannte Diskussion. Wir

Weitere Kostenlose Bücher