Nacht des Verfuehrers - Roman
die Ironie nach innen gerichtet. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Wenn Sie nicht diesen Ausdruck nobler Opferbereitschaft im Gesicht hätten, dann hätte ich ein derartiges Arrangement durchaus in Betracht gezogen. Aber es gibt auf dieser Welt genügend Frauen, die gern mit mir das
Bett teilen, sodass ich es nicht nötig habe, mir eine Frau ins Bett zu holen, die mich anstarrt, als sei ich ein Reptil, so schön diese Frau auch sein mag.«
»Sie wollen ihn also nicht retten?«, fragte Alcy. »Wer hat das behauptet?«, konterte er. »Da soll doch bloß keiner sagen, Sir Edward Cunningham sei keine Zierde für die Männer Großbritanniens. Nein, ich werde ihn retten. Für nicht mehr als einen Kuss auf die lilienweiße Hand meiner Lady – und genau das hatten Sie ursprünglich doch auch im Sinn, nehme ich an?« Er fuhr fort, bevor sie noch etwas erwidern konnte. »Das und ein Porträt von Ihnen, das Sie mir zum Piccadilly Circus schicken werden, und natürlich Ihre Zusage, dass Severinor den britischen Interessen von jetzt an – sagen wir einmal – gewogener gegenübersteht.«
In Alcys Kopf drehte sich alles, aber sie schaffte es, ihm zu antworten. »Wie könnte Severinor auch nicht, jetzt, da er eine treu ergebene Tochter Britanniens zur Gräfin hat?«
Sir Edward schüttelte den Kopf. »Ach, Sie lernen schnell und geben Antworten, die nichts zu bedeuten haben. Aber Sie verstehen doch hoffentlich, dass das Innenministerium nicht erfreut sein wird, wenn meine riskante Unternehmung nicht irgendwie honoriert wird?«
»Ja, das verstehe ich«, erwiderte sie. »Und da ich sonst nichts zu geben habe, gebe ich Ihnen mein Wort, dass mein Gatte und ich Ihnen Ihre Güte nicht mit Unfreundlichkeit vergelten werden.«
Sir Edward schnaubte. »Güte? Was mich angeht, sind diese Geschichte und Ihr Porträt das alles wert!« Er ergriff mit beiden Händen ihre Hand und küsste sie auf den Handschuh. »Der Handel ist besiegelt. Und nun drehen
Sie sich um und lassen Sie ein Gesicht sehen, als wären all ihre Hoffnungen dahin. Und heute Nacht seien Sie bereit – für alles.«
Alcy tat wie befohlen, und ihr Gehabe schien überzeugend zu sein, denn sie sah das Gesicht des Sultans befriedigt aufleuchten und ein gewisse Erleichterung in Lady Buntings Miene. Sie saß schweigend ein paar Minuten da und widerstand allen Bemühungen, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Ihr Herz jubelte vor Freude und wurde ihr schwer vor Angst. Schließlich erhoben sich alle, und der Sultan machte sich daran, seine Gäste zu entlassen. Alcy war viel zu abgelenkt, um zu bemerken, was sich kurz vor dem Gehen zwischen dem Sultan und dem Admiral abspielte. Doch als sie zur Tür schreiten wollte, rief der Sultan sie zurück.
»Kommen Sie, Gräfin«, befahl er.
Ihr Herz donnerte, sie gehorchte und versuchte nicht einmal mehr, ihr Entsetzen zu verbergen.
»Was haben Sie und Sir Edward denn so überaus angeregt besprochen?«, fragte er, als sie vor ihm stehen blieb, mit einer so leisen Stimme, dass sein Gefolge es vermutlich nicht vernehmen konnte.
»Die Ehe, Eure Majestät«, hörte Alcy sich sagen.
»Und warum? Ihr Gatte ist schließlich noch am Leben«, sagte der Sultan sanft, als wolle er ein verängstigtes Vögelchen in seine Hand locken.
Alcys Herz tat einen Sprung, und sie betete, dass man es ihr nicht ansah. »Aber ich fürchte, nicht mehr lange, und es gereicht auf dieser Welt einer Witwe nicht zur Ehre, lang allein zu bleiben«, erwiderte sie, weil sie sich daran erinnerte, was Aygul ihr zuvor erklärt hatte.
Der Sultan lachte und ließ seine weißen Zähne sehen. »Sie hätten es unter den Lieblingsfrauen weit gebracht«, meinte er. »Also, erzählen Sie mir, was er gesagt hat. War er interessiert?«
»Er wünscht sich nicht auf eine Frau einzulassen, der die Gespenster der Vergangenheit zusetzen«, erklärte Alcy, wobei sie die ganze Verbitterung und Frustration der letzten Monate in ihre Stimme legte.
»Er ist ein sehr kluger Mann«, sagte der Sultan. Damit entließ er sie, und Alcy lief auf Beinen, die plötzlich wie Gummi waren, zur Tür.
Halte durch, Dumitru, rief sie ihm wortlos zu, wo immer er war. Nur noch ein klein wenig länger. Halte durch.
Kapitel 23
Sie brachten Alcy in ihr Zimmer im Herzen des Topkapi-Palasts, aber nur für diese eine Nacht, wie Lady Bunting ihr versicherte. Alcy glaubte ihr – so oder so, sie würde nicht noch einmal im Palast nächtigen. Wieder in ihrem Zimmer, lehnte sie jede Hilfe ab. Sie schickte Aygul
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