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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Stahlschaft an einer Schnur aus weißem Nylon ragte aus Walls Bauch. Als er nach unten blickte, spritzten ihm feine Blutströpfchen ins Gesicht.
    »George«, sagte O’Brien.
    Walls setzte sich auf den Schandeckel, hob seine Pistole und schoß auf Luna, der zunächst einen Schritt zurückwich, bevor er vorwärtstaumelte. Während Walls noch versuchte, einen zweiten sauberen Schuß anzusetzen, fielen beide Männer über Bord. Arkadi begann aus seinem Reifenschlauch zu klettern. An Deck hatte O’Brien die zweite Harpune aus einer Bank auf dem Steuerstand genommen und versuchte, den Speer zu laden und die beiden steifen Gummibänder zu spannen, was selbst unter günstigen Bedingungen keine leichte Aufgabe war und jetzt durch die lose Harpunenschnur und das Blut an Deck noch erschwert wurde. Doch als Arkadi sich über den Heckbalken hangelte, gelang es O’Brien zumindest, ein Band zu spannen und den Abzug der Harpune zu drücken. Im nächsten Moment fand Arkadi sich auf dem Rücken treibend im Wasser wieder, der Pfeil hatte seinen Unterarm durchbohrt, die Spitze war nur ganz flach in seine Brust eingedrungen, weil sein Arm die Wucht abgefangen hatte. Die Fangleine führte zu O’Brien zurück, der mit einem Schuh auf dem Heckbalken stand und offensichtlich bereits zehn oder elf Züge im voraus plante. Arkadi riß mit der freien Hand an der Leine. O’Brien warf die Harpune über Bord, doch die Schnur wickelte sich um seinen Knöchel und zog ihn über das polierte Mahagoni. Arkadi zerrte mit beiden Händen an der Leine, und O’Brien rutschte über das Heck ins Wasser.
     
    »Ich kann nicht schwimmen!« schrie er.
     
    Die »Gavilan« lag so tief im Wasser, daß O’Brien sich mit den Händen an die Bordwand klammern und versuchen konnte, sich wieder an Bord zu hangeln. Doch Arkadi zog ihn mit der Leine von dem Boot weg. Daraufhin wandte sich O’Brien dem Reifenschlauch zu, doch mit seinem hektischen Gestrampel, trieb er den Reifen eher von sich weg, als daß sich der Abstand verringerte. Die Harpune trieb auf dem Wasser, doch sie reichte nicht, um einen Mann zu halten.
     
    Die Widerhaken des Pfeils hatten sich über Arkadis Brustmuskel ausgeklappt. Er klappte sie wieder ein, schob sie unter die bewegliche Ummantelung des Pfeils und zog den Schaft aus seinem Arm, solange der noch taub war. Mit seinem gesunden Arm ruderte er unter Wasser. Das Meer war eine Höhle um einen Viertelmond, in der hin und wieder Fische aufblitzten. Auf der anderen Seite des Bootes rangen Walls und Luna immer noch miteinander und versuchten sich auf dem Körper des jeweils anderen über Wasser zu drücken. Aus Walls Pistole stiegen Blasen auf. Luna hatte die Fangleine des Pfeils um den Hals seines Gegners gewickelt. Arkadi tauchte zum Luftschnappen auf und paddelte wieder um das Heck des Bootes. Keinen Meter entfernt tauchte O’Briens Hinterkopf aus dem Wasser auf.
    Das Küstenschutzboot hatte sich nicht bewegt, obwohl Arkadi am Strand des Kasinos jetzt Lichter sah. Der Yacht-Club war immer noch hell erleuchtet.
    Er hätte sich an Bord der »Gavilan« hieven können, doch in diesem Moment war Arkadi einfach zufrieden damit, sich auszuruhen, die zahllosen Sterne am Himmel zu betrachten und in einer Dunkelheit zu treiben, die ihn trug.
     
    28
     
    Im April schneite es noch einmal so stark, daß die Straßen überzuckert waren und verirrte Flocken über die Kreuzungen tanzten. Lkw krochen mit eingeschalteten Scheinwerfern über die Uferstraße, eine Angewohnheit aus dem Winter, die sich so hartnäckig hielt wie der Winter selbst.
    Arkadi hatte das Büro des Staatsanwalts verlassen und ging zur Mole hinunter, weil er hoffte, daß die Luft am Ufer frischer war, doch es gab kein Entkommen vor der allgemeinen Verschmutzung, die übliche Dunstglocke hatte sich mit dem Schnee zu einem beißenden städtischen Gebräu vermischt. Die Laternen brannten, kleine Lichtinseln, die über der Straße schwankten, vom Wind in diese oder jene Richtung geweht. Die Gebäude an diesem Stück der Frunsenskaja waren in einem amtlichen Gelb gestrichen und wirkten unter dem Schnee wie Schemen. Der Fluß leckte träge, unter Schnee und Eisschollen knirschend, an die Steinmauern.
    Er war schon ein gutes Stück gegangen, als er bemerkte, daß ein Mann in einem Rollstuhl entschlossen versuchte, ihn einzuholen, was bei diesem Wetter, bei dem die Reifen über den feuchtenBürgersteig rutschten, kein leichtes Unterfangen war. Dazu mußte er auch noch die Schlafsäcke der

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