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Nacht über der Menschheit

Nacht über der Menschheit

Titel: Nacht über der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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setzen?« fragte er. Er zögerte noch unentschlossen, streckte die Situation, ohne zur Sache zu kommen. Umständlich ließ er sich nieder, schlug die Beine mit großer Genauigkeit übereinander; das Mädchen starrte ihn mit leblosen Augen an, blieb aber stehen.
    Ein peinliches Schweigen folgte, dann sagte das Mädchen: »Sie wollen Matt zurück nach Hause nehmen, nicht wahr?«
    Warshow knirschte innerlich mit den Zähnen. »Ja. Unser Schiff geht in vier Tagen. Ich kam, um ihn abzuholen.«
    »Er ist nicht hier«, sagte sie.
    »Ich weiß – er ist in der Basis. Er wird bald hier sein.«
    »Sie haben ihm doch nichts getan?« fragte die Frau plötzlich besorgt.
    Er schüttelte den Kopf. »Es geht ihm gut.« Nach einem Augenblick musterte Warshow die Frau scharf und sagte: »Er liebt Sie, nicht wahr?«
    »Ja.« Die Antwort schien zögernd zu kommen.
    »Und Sie lieben ihn?«
    »O ja«, sagte Thetona. »Ganz sicher.«
    »Ich verstehe.« Warshow fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Das würde schwierig werden. »Werden Sie mir sagen, wie es kam, daß Sie sich verliebten? Ich bin neugierig.«
    Sie lächelte – zumindest glaubte er das. »Ich lernte ihn zwei Tage nach eurem Eintreffen kennen. Ich ging die Straße entlang, und ich sah ihn. Er saß am Straßenrand und weinte.«
    »Was?«
    Die runden Augen schienen sich zu verschleiern. »Er saß dort und schluchzte. Es war das erste Mal, daß ich einen Erdbewohner so sah – weinend, meine ich. Er tat mir schrecklich leid. Ich ging hin, um mit ihm zu sprechen. Er war wie ein kleiner, weggelaufener Junge.«
    Warshow sah auf und starrte völlig ungläubig in das Gesicht der Fremden. Nach zehn Jahren Kontakt mit den Kollidoriern war er ihnen nie zu nahe gekommen – persönliche Kontakte hatte er hauptsächlich anderen überlassen, aber ...
    Verdammt, das Mädchen ist fast menschlich! Fast ...
    »War er krank?« fragte Warshow mit rauher Stimme. »Warum hat er geweint?«
    »Er war einsam«, sagte Thetona ernsthaft. »Er hatte Angst – vor mir, vor Ihnen, vor jedermann. Also sprach ich mit ihm an jener Straßenecke, viele Minuten lang. Und dann fragte er, ob er mit mir nach Hause gehen könne. Ich lebte hier allein. Er kam mit. Und seit drei Tagen ist er bei mir.«
    »Und er hat vor, ständig hier zu bleiben?« fragte Warshow.
    Der große Kopf nickte versichernd. »Wir mögen uns sehr. Er ist einsam – er braucht jemanden, um ...«
    »Das ist genug«, sagte Falks Stimme plötzlich.
    Warshow fuhr herum. Falk stand mit ausdruckslosen Augen in der Tür. Die Narbe in seinem Gesicht schien zu glühen.
    »Was tun Sie hier?« fragte Falk.
    »Ich wollte Thetona besuchen«, sagte Warshow beruhigend. »Ich erwartete Sie nicht so früh hier zurück.«
    »Ich weiß, daß Sie das nicht erwarteten. Ich ging weg, als Cullinan anfing, um mich herumzuschleichen. Ich denke, Sie gehen jetzt.«
    »Sie sprechen mit einem vorgesetzten Offizier«, erinnerte Warshow ihn. »Wenn ich ...«
    »Ich habe vor zehn Minuten den Dienst quittiert«, sagte Falk scharf. »Sie sind nicht mein Vorgesetzter. Hinaus!«
    Warshow versteifte sich. Fragend sah er zu dem fremden Mädchen, das ihre sechsfingrige Hand auf Falks Schulter legte und seinen Arm streichelte. Falk wich ihr aus.
    »Nicht«, sagte er. »Nun – gehen Sie? Thetona und ich möchten allein sein.«
    »Bitte, gehen Sie, Commander Warshow«, sagte das Mädchen sanft. »Regen Sie ihn nicht auf.«
    »Aufgeregt? Wer ist aufgeregt?« explodierte Falk. »Ich ...«
    Warshow saß reglos da, registrierte, analysierte und ignorierte für den Augenblick, was vor sich ging.
    Falk würde zu einer Behandlung zurück ins Schiff gebracht werden müssen, es gab keine andere Möglichkeit, dachte Warshow. Diese seltsame Verbindung mit der Kollidorierin mußte abgebrochen werden.
    Er stand auf und bat mit erhobener Hand um Schweigen. »Mr. Falk, darf ich etwas sagen?«
    »Nur zu. Sprechen Sie schnell, denn ich prügele Sie sonst in zwei Minuten hier hinaus.«
    »Ich brauche keine zwei Minuten«, sagte Warshow. »Ich möchte Sie nur davon in Kenntnis setzen, daß Sie unter Arrest stehen und daß Sie hiermit aufgefordert werden, sich unverzüglich in der Basis zu melden, in meine Obhut. Wenn Sie sich weigern, zu erscheinen, wird es unumgänglich sein ...«
    In Falks Augen leuchtete Wut auf, als er den Raum durchquerte. Den um einiges kleineren Commander hoch überragend, ergriff er ihn bei den Schultern, schüttelte ihn und schrie: »Hinaus!«
    Warshow lächelte

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