Nacht über Eden
Mutter genug Geld für ihn, er ist sehr intelligent, und er wird bei der Schulabschlußfeier die Rede halten. Es gibt keinen Grund, Luke zu bemitleiden. Außerdem«, sagte meine Mutter lächelnd, »würde er sich dagegen wehren, wenn er es wüßte.«
»O bitte, erzähl ihm nie, daß ich das gesagt habe.«
»So etwas würde ich nie tun, Annie. Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, was er in all diesen Jahren durchgemacht hat?
Darum bewundere ich ihn auch, weil er es trotzdem so weit gebracht hat«, schloß sie und strich über mein Haar. »So, nun geh und bring deine Diamanten weg. Und dann lädst du Drake zu einer Probefahrt ein und anschließend Luke. Heute darf es keine Tränen geben. Ich verbiete es. Ich würde sogar bis zum Bürgermeister von Winnerrow gehen und eine einstweilige Verfügung dagegen erwirken«, sagte sie und lachte. Trotz meines Kummers lächelte ich. »Ich danke dir, daß du so wundervoll zu mir bist«, sagte ich.
»Ich könnte gar nicht anders sein, mein Liebling, dazu liebe ich dich zu sehr.«
Sie küßte mich noch einmal, und dann eilte ich davon, um die Diamanten in meinem Schmuckkasten zu verwahren. Als ich nach unten kam, waren mein Vater, Luke und Drake in eine ernsthafte Diskussion über Wirtschaftsprobleme vertieft.
Sie stritten über das Handelsdefizit und die Notwendigkeit von Schutzverordnungen. Ich hörte einen Moment lang zu und bewunderte Luke, wie er seine Meinung gegen die beiden anderen verteidigte. Dann unterbrach ich sie und verkündete, daß nun die Probefahrten in meinem neuen Mercedes beginnen würden.
»Laßt uns nach dem Alter gehen«, sagte ich diplomatisch.
»Zuerst Daddy, dann Drake, dann Luke. Dreimal die Hauptstraße hinauf und hinab.«
Daddy lachte.
»Kannst du dir vorstellen, was die Leute sagen werden? Sie werden glauben, daß du nur unseren Reichtum zu Schau stellen willst.«
»Was man hat, das kann man auch zeigen«, warf Drake ein.
»Ich sehe nicht ein, warum man sich wegen seines Reichtums schämen sollte. Das ist falscher Liberalismus.«
»Ich spreche doch nur von einer Spazierfahrt«, protestierte ich. Plötzlich wandten sich alle drei zu mir um und brachen in schallendes Gelächter aus, als sie den Ausdruck auf meinem Gesicht sahen. »Männer«, sagte ich und wandte mich ab.
»O Annie«, sagte Daddy schnell, kam zu mir und legte den Arm um mich. »Es ist nur, weil du so niedlich bist, wenn du dich ärgerst. Jetzt komm und laß uns sehen, ob dieser Wagen überhaupt die ganze Aufregung wert ist.«
Ich machte mit jedem von ihnen eine Fahrt. Drake bestand darauf, daß ich vor der Imbißstube anhielt, damit er kurz ein paar von seinen alten Freunden begrüßten konnte; aber eigentlich ging es ihm nur darum, sich mit dem Wagen zu zeigen. Als Drake und ich zurückkamen, saß Luke im Pavillon und las eine Illustrierte. Drake beschloß, eine Aufgabe, die er für das College zu machen hatte, jetzt zu erledigen, damit er abends mit uns zum Essen gehen könnte.
»Ich komme sofort zurück«, rief ich Luke zu und lief ins Haus und die Treppe hinauf, um sein Geschenk aus meinem Zimmer zu holen. Mammi und Daddy sahen überrascht auf, als ich durch das Wohnzimmer stürmte.
»Langsam«, rief mein Vater, »sonst bist du achtzig, noch ehe du fünfzig wirst.« Ich hörte ihn über seinen Witz lachen, während ich die Haustür schloß und mit klopfendem Herzen hinüber zum Pavillon rannte. Aufgeregt lief ich die Stufen hinauf und ließ mich neben Luke fallen.
»Herzlichen Glückwunsch«, rief ich und streckte ihm die Hand entgegen. Er betrachtete das kleine Päckchen einen Augenblick lang, ehe er es aus meiner ausgestreckten Hand nahm.
»Das könnten Schlüssel für einen zweiten Mercedes sein«, mutmaßte er. Er öffnete die Verpackung und hob den Deckel des kleinen Kästchens, in dem ein breiter Ring aus Rotgold mit einem schwarzen Onyx lag. »Donnerwetter!«
»Sieh dir mal die Rückseite an.«
Er drehte ihn, um die winzige eingravierte Inschrift lesen zu können.
»In Liebe, deine Schwester Annie.«
Es war das erstemal, daß einer von uns beiden schriftlich unsere wahre verwandtschaftliche Beziehung zum Ausdruck gebracht hatte. Die Rührung ließ Tränen in Lukes Augen aufsteigen, die er zurückdrängte, denn es schien ihm unmännlich zu weinen, selbst wenn es aus Freude geschah. Ich sah, wie er versuchte, seine Gefühle zu meistern.
»Steck ihn dir an«, sagte ich schnell. Er schob ihn auf den Finger und hob die Hand ins Sonnenlicht. Wie der Stein
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