Nacht über Eden
sie hatte es mir verboten, da die Gegenstände zu empfindlich waren.
Und jetzt schenkte sie es mir! Ich sah hinüber zu Daddy.
Seine Augen waren schmal geworden, während er auf die Hütte starrte. In seinem Blick stand etwas sehr Seltsames.
»Nein, Mammi! Ich weiß, wieviel es dir bedeutet«, protestierte ich.
»Aber du bedeutest mir doch noch viel mehr, mein Liebling«, erwiderte Mammi und überreichte mir die Hütte. Ich ergriff sie vorsichtig mit beiden Händen und stellte sie auf meinen Nachttisch, damit sie in Sicherheit wäre.
»O danke! Ich werde sie immer in Ehren halten«, versicherte ich. Ich war überglücklich, denn mit dieser Hütte verbanden sich für mich Träume und Sehnsüchte, von denen meine Mutter nichts wußte. Immer wenn ich den Mann und die Frau betrachtet hatte, hatte ich an Luke und mich gedacht.
Gemeinsam würden wir weglaufen und dann glücklich zusammen in einer solchen Hütte leben…
»Gern geschehen, mein Liebling.«
Meine Eltern standen vor mir und lächelten mich an. Sie sahen beide so jung und glücklich aus. Welch ein wunderbarer Morgen, dachte ich. Ich wünschte, daß mein achtzehnter Geburtstag nie zu Ende gehen würde. Mein ganzes Leben sollte ein einziger glücklicher langer Tag sein, an dem alle in einer heiteren, fröhlichen Stimmung waren.
Nachdem meine Eltern das Zimmer verlassen hatten, duschte ich und verbrachte lange Zeit vor meinem Wandschrank, um mir zu überlegen, was ich an einem so wichtigen Tag anziehen sollte. Schließlich entschied ich mich für einen pinkfarbenen Angorapullover und einen weißen Seidenrock, denn diese Kleidung ähnelte der, die das junge Mädchen in der Hütte trug.
Ich kämmte mein Haar und steckte es an beiden Seiten zurück; dann legte ich einen Hauch pinkfarbenen Lippenstift auf. Zufrieden mit mir selbst lief ich aus meinem Zimmer und die Treppe hinab, die mit einem weichen blauen Teppich ausgelegt war. Der Tag war von strahlend goldenem Sonnenschein erfüllt, als würde die ganze Welt meinen Geburtstag feiern. Selbst die Blätter und die langen dünnen Zweige, die sich an dem Weidenbaum vor den Frontfenstern wiegten, schienen von Licht durchflutet.
Am Fuß der Treppe hielt ich inne, denn im ganzen Haus herrschte Stille. Ich sah auch die Hausangestellten nicht wie gewohnt hin- und hereilen und das Frühstück im Eßzimmer zu richten. »Hallo, wo seid ihr alle?«
Ich ging ins Eßzimmer. Der Frühstückstisch war gedeckt, aber es war niemand zu sehen. Ich sah in den beiden Wohnzimmern und im Arbeitszimmer nach, aber nirgendwo war eine Menschenseele zu entdecken. Drake, der nur wegen meines Geburtstags am Vorabend vom College nach Hause gekommen war, war offenbar noch gar nicht auf.
»Mammi? Daddy? Drake?«
Ich ging in die Küche. Der Kaffee lief durch die Maschine, das Rührei war geschlagen und bereit für die Pfanne, im Toaster steckten Brotscheiben, die darauf warteten, geröstet zu werden – aber es war niemand in der Küche. Wo waren Roland Star, unser Koch, und Mrs. Avery, unsere Haushälterin? Auch Gerald Wilson, unser Butler, der sich gewöhnlich in der Eingangshalle aufhielt, war verschwunden.
»Was geht hier vor?« Ich lächelte verwirrt und aufgeregt.
Schließlich ging ich zur Eingangstür, öffnete sie und sah hinaus.
Dort standen sie alle: meine Mutter, mein Vater, Drake, die Angestellten und etwas abseits auch Luke, alle mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht.
»Was ist hier los«, fragte ich und trat hinaus. »Warum seid ihr…«
Und dann sah ich es. Offensichtlich hatte mein Vater in der Nacht zuvor dieses brandneue leuchtend blaue Mercedes-Cabriolet in die Auffahrt gebracht. Sie hatten es mit zwei breiten pinkfarbenen Bändern umwickelt. Noch ehe ich irgend etwas sagen konnte, riefen sie alle im Chor: »Herzlichen Glückwunsch!« Als ich dann um den Wagen herumging und auf dem Nummernschild meinen Namen las, spürte ich plötzlich einen Kloß im Hals.
»Herzlichen Glückwunsch, Annie, mein Liebling«, sagte meine Mutter. »Mögest du noch viele, viele schöne Geburtstage verleben.«
»Ich glaube, das ist unmöglich«, rief ich, »wie könnte ich je glücklicher sein als heute? Vielen Dank euch allen!«
Ich küßte Daddy und umarmte Drake.
»Ich weiß nicht, wie es euch ergeht«, verkündete mein Vater,
»aber ich bin am Verhungern und am Verdursten zugleich.«
Alle lachten, und die Hausangestellten traten auf mich zu, um mich zu küssen und mir zu gratulieren, dann gingen sie wieder an ihre
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