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Nachtflug

Nachtflug

Titel: Nachtflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine de Saint-Exupéry
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Diensteinteilung zu schauen, nächtlicher Wächter über eine halbe Welt.
    Vor einem offenen Fenster blieb er stehen und umfaßte mit innerem Blick die Nacht. Sie schloß sich um Buenos Aires, aber auch um ganz Amerika, wie um ein riesiges Schiff. Nichts Ungewohntes für ihn, so im großen zu denken: Der Himmel von Santiago de Chile, ein fremder Himmel - aber war einmal der Kurier unterwegs dorthin, so lebte man, von einem Ende der Linie bis zum anderen, unter derselben riesigen Wölbung. Dieser andere Kurier jetzt, dessen Stimme man in den Hörern der Funkstation vernahm - die Fischer von Patagonien sahen zur selben Zeit seine Bordlichter leuchten. Diese Unruhe, die auf Riviere lastete, wenn ein Flugzeug unterwegs war - sie lastete zur selben Zeit auf den Hauptstädten und Provinzen im Dröhnen des Motors.
    Glücklich über diese sorgenfreie Nacht, gedachte er anderer Nächte, Nächte der Unordnung, Flugzeug in Gefahr, und Hilfe so schwierig: von der Funkstation Buenos Aires konnte man seine Klagerufe verfolgen, vermischt mit dem Knattern der Gewitter. Wie dünne tönende Goldader, die sich verliert in der Wucht tauben Gesteins. Welcher Wehelaut in diesem kleinen Getön eines Flugzeugs, das da wie ein blinder Pfeil hinschwirrte gegen die Widerstände der Nacht! 
    Robineau fiel ihm ein. Ein Inspektor gehörte ins Büro in einer Nacht, in der man auf Wache blieb.
    »Lassen Sie mir Robineau holen.«
    Robineau war gerade dabei, sich einen Piloten zum Freunde zu machen. Er hatte im Hotel seinen Koffer vor ihm ausgepackt; die kleinen Alltäglichkeiten kamen zum Vorschein, die auch einen Inspektor zu einem Menschen wie andere machen: ein paar geschmacklos gemusterte Hemden, ein Necessaire, dann die Photographie einer dürren Frau, die er an die Wand heftete. Stummes, demütiges Bekenntnis seiner kümmerlichen Intimitäten, dieses Auspacken vor Pellerin. Indem er die dürftigen Schätze vor ihm hinbreitete, bot er sein ganzes Elend zur Schau. Seinen seelischen Aussatz. Ließ ihn hineinschauen in die Gefängniszelle seines Daseins. 
    Aber auch für Robineau gab es, wie für alle Menschen, einen kleinen Lichtblick. Mit behutsamer Wonne hatte er aus dem untersten Grunde seines Koffers ein mit peinlichster Sorgfalt eingewickeltes Säckchen hervorgeholt. Geraume Zeit hatte er es wortlos in den Händen getätschelt. Dann, endlich die Finger lösend:
    »Das hab’ ich aus der Sahara mitgebracht …« 
    Er war selber errötet darüber, daß er es übers Herz brachte, dieses Geheimnis jemandem anzuvertrauen. Von all seinem Verdruß und seinem ehelichen Mißgeschick und dieser ganzen grauen Wirklichkeit fand er Erlösung und Trost bei ein paar kleinen schwärzlichen Kieseln, die ihm eine Pforte zum Weiten, Unbekannten öffneten. 
    Noch etwas tiefer errötend: 
    »Man findet die gleichen in Brasilien …« Er hatte sich dann über das atlantische Problem verbreitet, und Pellerin hatte ihm auf die Schulter geklopft und, ebenfalls ganz verlegen, gefragt:
    »Sie lieben die Geologie?«
    »Das ist meine Leidenschaft.«
    Das einzige, das ihm hold gewesen war im Leben, waren die Steine.
    Robineau, als man ihn abrief, wurde traurig, aber er fand sich in seine Würde zurück. 
    »Ich muß Sie verlassen; Herr Riviere braucht mich zu einigen wichtigen Entscheidungen.« 
    Als Robineau in das Büro eintrat, hatte Riviere ihn vergessen. Er stand in Gedanken vertieft vor einer Wandkarte, auf der das Flugnetz der Gesellschaft rot eingezeichnet war. Der Inspektor erwartete seine Befehle. Nach langen Minuten fragte ihn Riviere, ohne den Kopf zu wenden:
    »Was denken Sie über diese Karte, Robineau?« Er stellte manchmal, wie aus einem Traum auftauchend, solche Rätselfragen. 
    »Diese Karte, Herr Direktor …« 
    Der Inspektor dachte, um die Wahrheit zu sagen, gar nichts über diese Karte; aber er heftete mit strenger Miene seinen Blick darauf und faßte ganz Europa und Amerika inspizierend ins Auge. Aber Riviere war schon wieder in seine schweigenden Betrachtungen versunken. ›Ein grausames Ding, das schöne rote Netz, das da gesponnen ist. Es hat uns viele Menschen gekostet, junge Menschen. Was einmal aufgebaut ist, hat seine Gültigkeit und Macht. Aber wieviel Fragen und Zweifel stekken dahinter.‹
    Robineau, neben ihm stehend, den Blick immer starr auf die Karte gerichtet, raffle sich nach und nach wieder innerlich zusammen. Von Riviere hatte er kein Mitgefühl zu erwarten.
    Er hatte einmal einen schüchternen Ansatz gemacht, ihm sein

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