Nachtgesang
Mund mehr als einen Spalt weit öffne – igitt! «Mit diesen Worten spuckte er eine weitere nasse Fliege aus.
Liz schüttelte sich und schnitt eine Grimasse. »Ich frage mich, von was zum Teufel die hier leben, ich meine hier, so weit draußen?« Sie schlug um sich, traf aber nicht, weshalb etwas Kleines, Schwarzes und Widerliches vor ihr in Sicherheit schwirrte.
»Hier stirbt genug«, antwortete Jake grimmig. »Vielleicht leben sie davon.« Als sie schon dachte, dass das jetzt alles war, dass er nicht mehr hinzufügen würde, tat er es doch: »Die Sonne geht hinter den Hügeln dort drüben unter. In einer halben Stunde oder so wird es kühler sein. Es wird nicht kalt, nicht bei dem verrückten Wetter – aber zumindest wird man atmen können, ohne sich dabei die Lungen zu verbrutzeln.« Darauf sagte er nichts weiter.
Sie drehte den Kopf, um ihn von der Seite mit gerunzelter Stirn genauer anzusehen; sein kantiges Gesicht, seine Hände am Steuer, seine schlanke Gestalt. Wenn Jake ihren neugierigen, aufmerksamen Blick wahrnahm, dann ließ er es sich nicht anmerken. So war er eben: locker. Sie dachte: Wir sind ein verdammt seltsames Paar!
Sie hatte recht, denn das waren sie wirklich. Jake hart und doch geschmeidig wie eine Peitschenschnur und Liz weich und kurvig. Er mit seiner düsteren Vergangenheit und in seiner momentanen ... Verfassung und Liz mit ihrer ...
... In dem Moment fuhren sie in ein Schlagloch und Liz wurde blitzartig aus den Gedanken gerissen, während ihr Hintern 20 Zentimeter hoch in die Luft geschleudert wurde. »Jake, fahr mal langsamer!«, stöhnte sie.
Er nickte, aber keinesfalls reumütig, sondern geistesabwesend. Er hatte seinen Kopf gedreht, um sie anzusehen – nein, korrigierte sich Liz –, um durch sie hindurchzusehen, nach Westen, wo runde, dunkle Hügel von gelblicher und rot-ockerner Farbe parallel zur Straße standen. Löchrig waren sie, diese Hügel, pockennarbig sogar aus der Entfernung. Dasselbe galt auch für die Wüste um sie herum, inklusive der sogenannten Straße. »Diese alten Minen«, grummelte Jake. »Goldminen. Das Schlagloch da hinten war eine Bodenabsenkung, wo die Straße in eine alte Mine abrutscht. Ich hab es nicht gesehen wegen diesem blöden Hitzeschleier.«
»Gold?« Liz drehte sich in ihrem Sitz hin und her, in der Hoffnung, wieder eine bequemere Position zu finden. Ha!, dachte sie. Als ob es vorher bequem gewesen wäre!
»Sie fanden hier ein paar Goldklumpen«, erzählte er ihr. »Ein kleiner Goldrausch, der sich nicht weiter ausbreitete. Vielleicht – sogar wahrscheinlich – gibt es hier Gold, aber man muss es erst einmal überleben, es auszugraben. Es war die Mühe wohl nicht wert ...«
»Sogar ohne dieses seltsame ›El Niño‹-Wetter war das hier ein absolut ungastlicher Ort zum Leben«, nickte sie.
»Genau.« Jetzt schaute Jake zu ihr – schaute dieses Mal sie an.
Während er sie noch betrachtete, grinste sie nervös und sagte: »Was für ein Ort für eine Hochzeitsreise! Ich hätte mich nie dazu überreden lassen sollen.« Natürlich war der Kommentar nur ein Witz.
»Pah!«, war seine Antwort. Er schirmte mit den Händen seine Augen ab und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den runden Hügeln zu, über denen die Sonne wie eine goldene, eitrige Blase auf einer gigantischen, liegenden, verwesenden Frau lag.
»Wir haben fast kein Benzin mehr.« Liz tippte mit dem Fingernagel auf die Tankuhr. »Gibt es ganz sicher hier draußen eine Tankstelle?« Tatsächlich wusste sie selbst, dass es eine gab; sie war genau da auf der Landkarte eingezeichnet. Es war nur die schreckliche Hitze, der Straßenzustand, die Dämmerung und etwas natürliche Nervosität. Liz verlor manchmal leicht die Nerven. Und Jake ... nun, sie war sich da nicht sicher, sie war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt Nerven hatte.
»Tankstelle?« Er schaute sie wieder an. »Aber sicher gibt es eine, für die lokale ›Gemeinde‹. Immerhin kommen hier in der Gegend 0,9 Menschen auf 150 Quadratkilometer!« Obwohl Jake vor Sarkasmus sprühte, waren seine bissigen Bemerkungen nicht wirklich gegen Liz gerichtet, sondern eher gegen die ganze Situation. Außerdem glaubte sie, einen unbekannten Unterton in seiner Stimme zu hören. Vielleicht hatte er also doch Nerven. Trotzdem machte seine trockene Art sie wütend.
» So viele? Wirklich?« Für einen Moment war sie versucht, diesen unausstehlichen Mann mit seinen eigenen Waffen zu schlagen ... aber nur einen Moment. Dann zuckte sie
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