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Nachtklinge: Roman (German Edition)

Nachtklinge: Roman (German Edition)

Titel: Nachtklinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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dem Titel
Liber Igneum
beiseite, was frei übersetzt etwa so viel bedeutete wie
Tausenderlei Arten, seine Feinde in den Feuertod zu schicken,
und griff nach einem Krug mit elfenbeinernem Henkel. Als Kind hatte Giulietta eine der Rezepturen für Schießpulver aus diesem Buch auswendig gelernt. Damals war sie elf Jahre alt gewesen. Onkel Marco hatte im Sterben gelegen, und seine Nichte hatte beschlossen, ein Loch in die Palastmauer zu sprengen und zu fliehen.
    Einen Monat lang hatte sie Urin gesammelt. Sie hatte Kohle aus dem Zeichenkasten und zerdrückte Schwefelpillen, die ihr Kindermädchen gegen Durchfall zu nehmen pflegte, hinzugefügt, um Salpeter zu destillieren. Nach einer Weile verströmte der versteckte Urintopf jedoch einen derart bestialischen Gestank, dass sie ihn wegkippte. Um den Gestank zu erklären, hatte sie behauptet, Eleanor sei Bettnässerin. Ihre Cousine wurde daraufhin ausgepeitscht und sprach tagelang nicht mit ihr.
    »Warum wurden wir als Kinder ausgepeitscht?«
    »Warum hätte man bei euch eine Ausnahme machen sollen?« Die Dogaressa war verwundert.
    »Aber so häufig?«
    »Ich will dir eine Geschichte erzählen.« Ihre Tante trank einen Schluck und wirkte für einen Augenblick weit weg. »Ein Mädchen, so alt wie deine Cousine, wurde einmal dabei ertappt, wie sie nach Einbruch der Dunkelheit mit einem Jungen auf dem Korridor sprach. Sie wurde nicht ausgepeitscht, sondern mit einem Seidentuch erwürgt. Auch der Junge bekam nicht die Peitsche. Man durchbohrte ihn mit einem stählernen Stift, der zuvor erhitzt worden war, um die Wunde auszubrennen. Sein Todeskampf dauerte zwei Tage. Die Zofe des Mädchens wurde nicht ausgepeitscht, sondern erhängt. Wegen ihres niedrigen Standes hatte sie den Tod durch ein Seidentuch nicht verdient. Das Mädchen war meine Schwester, und ich wurde ausgepeitscht.«
    »Weil du sie nicht an dem Treffen gehindert hast?«
    »Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal in derselben Stadt. Glaubst du, dein Onkel hätte dich nicht erwürgt, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte? Und meinen Sohn gepfählt?«
    Noch nie hatte Giulietta ihre Tante so sprechen hören.
    »Ich habe dafür gesorgt, dass du überhaupt am Leben bist. Das Gleiche gilt für Marco. Wenn du, wie ich höre, Venedig verlassen willst, kann ich dich nicht länger beschützen. Aber vielleicht kann Tycho es.«
    »Tycho?«
    »Mir sind gewisse Gerüchte zu Ohren gekommen.«
    »Er bedeutet mir nichts.«
    »Er begleitet dich also nicht?«
    Giulietta schüttelte empört den Kopf. Was für eine Frage!
    »Dann wird der Rat der Zehn dir wahrscheinlich nicht gestatten, dich auf den Besitz deiner Mutter auf dem Festland zu begeben. Und auf meine Unterstützung darfst du auch nicht hoffen.«
    »Tante Alexa!«
    »Du bleibst hier in Venedig.«
    Sie saßen an einem schmalen Tisch. Die feinen Stühle mit den bestickten Kissen waren unbequem. Alexas Zimmer war unverändert, eine Ausnahme in diesem Palast, wo ständig alles umgebaut und neu dekoriert wurde. Allerdings ging ein kräftiger Terpentingeruch von dem Tisch aus, der vor Kurzem frisch lackiert worden war. Giulietta ließ den Blick durch das Zimmer wandern, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Das einzig Neue, was sie entdeckte, war eine bunt schillernde Echse in der Ecke.
    »Wie nennt man dieses Tier?«
    »Lenk nicht vom Thema ab.«
    Giulietta schob störrisch das Kinn vor. »Es ist an der Zeit für mich zu gehen.«
    »Nicht, bevor wir dieses Gespräch beendet haben.«
    Ach, wirklich?,
dachte Giulietta. Doch der harte Ton ihrer Tante blieb nicht ohne Wirkung, und sie fügte sich.
    »Also gut. Wer hat etwas über mich gesagt?«
    »Es gibt Gerüchte.«
    »Über Gräfin Desdaio kursieren bekanntlich jede Menge Gerüchte«, stellte Giulietta schnippisch fest. »Aber warum sollte es welche über mich geben? Die Gräfin wohnt ja praktisch bei Tycho. Sobald Atilo zu einer Ratssitzung geht, besucht sie seinen ehemaligen Sklaven.«
    »Du bist eifersüchtig.«
    »Bin ich nicht.« Giulietta bohrte die Fingernägel in die Hand. Sie wollte auf keinen Fall vor ihrer Tante weinen. Trotzdem stiegen ihr die Tränen in die Augen.
    Sie stand auf, wandte sich von der Dogaressa ab und kniete vor der Echse nieder, die wachsam den Kopf hob. »Was ist das für ein Tier?«, fragte sie nach einer Pause, in der sie sich gesammelt hatte.
    »Ein kleiner Drache.«
    »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »In China sind sie sehr verbreitet. Mein Neffe hat mir das Tier mit seinem letzten

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