Nachtruf (German Edition)
Kleinen vor dem Tod zugefügt.“ Er schob seine Brille ein Stück die Nase hinauf. „Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Der Scheißkerl hatte seinen Spaß mit der Kleinen, bevor sie starb.“
Der Faubourg Marigny District war früher eine Arbeitergegend gewesen. Im Laufe der Jahre hatte sich einiges zum Besseren gewendet, doch die Häuser in dieser Ecke von New Orleans wirkten auf Trevor Rivette noch immer vertraut. Natürlich hatten die neuen Bewohner Veränderungen vorgenommen. Die Häuserpassten nun besser zu den BMWs und Volvos, die entlang der von Bäumen gesäumten Straße parkten. Die Wagen gehörten den Familien der aufstrebenden Mittelschicht, die inzwischen diese Gegend bewohnten und den Wert der Anwesen nach oben trieben. Wie die Nachbarhäuser war auch das alte Cottage im Kolonialstil nicht länger in biederem Weiß gehalten. Es leuchtete in einem kräftigen Himbeerrot, die geschnitzten Zierleisten waren gepflegt und setzten einen Farbakzent in Pink. Ein schmiedeeiserner Zaun umgrenzte den Garten, und auf der überdachten vorderen Veranda standen Schaukelstühle aus Rattan neben Tontöpfen mit grünen Farnen. Von seinem Aussichtspunkt auf dem Bürgersteig aus hörte Trevor Kinderlachen, das von irgendwo die Straße herunter zu ihm drang. Ein Windspiel auf der Veranda klimperte in der milden Luft des frühen Abends.
Man hätte meinen können, dies wäre ein wunderbarer Ort, um aufzuwachsen. Aber er wusste es besser.
Trevor öffnete das Gartentor und spazierte den kurzen Weg zur Veranda hoch. Als er auf den weiß getünchten Holzdielen stand, zog er seine Hand aus der Tasche seiner Jeans und rieb sich kurz die Stirn. Dies war jetzt Annabelles Haus. Die Geister, die hier lebten, würden ihn nur dann verfolgen, wenn er es ihnen erlaubte.
Sie hatte anscheinend auf ihn gewartet, denn die Tür wurde geöffnet, bevor er klopfte. Annabelle Rivette lächelte und zog ihren Bruder in die Arme. Als sie ihn schließlich wieder freigab, blickte Trevor in ihr Gesicht. Annabelle hatte sich kaum verändert. Ihr welliges braunes Haar und die himmelblauen Augen waren ganz genau so, wie er sie in Erinnerung hatte.
„Es ist lange her, Trevor“, sagte sie.
„Viel zu lange“, gab er zu. Wie viel Zeit hatte er verstreichen lassen. Vor drei Jahren war er zum letzten Mal in New Orleans gewesen. Damals war ihre Mutter beerdigt worden. Er war kurz vor dem Gottesdienst eingetroffen und bald danach wieder abgereist. Er war nach Richmond beordert worden, wo es einen Doppelmord gegeben hatte. Doch sowohl er als auch Annabellewussten, dass es ihm auch ohne seine beruflichen Verpflichtungen beim FBI schwergefallen wäre, zu bleiben.
Eine Kinderstimme drang leise aus dem Inneren des Hauses, und Annabelle ließ Trevor von der Veranda ins Wohnzimmer. Hier hatte sich so gut wie alles verändert. Der Raum mit den hohen Wänden war in Blau und Beige gestrichen, und ein großer Teppich bedeckte den Holzboden. Jalousien hatten die schweren Vorhänge vor den Fenstern ersetzt. Das steif wirkende alte Mobiliar war ebenso verschwunden, verbannt zugunsten einer dick gepolsterten Couch und eines dazu passenden Sessels mit Hocker. Selbst der Kaminsims, der noch aus der Entstehungszeit des Hauses stammte und aus Zypressenholz geschnitzt war, hatte seine dunkle Farbe verloren. Er war in Weiß übermalt und der uralte Spiegel, der früher über dem Sims hing, war durch ein heiteres Bild vom French Quarter ersetzt worden.
„Da bist du ja“, sagte Annabelle, als ein kleines Mädchen ins Zimmer kam. „Haley, das ist dein Onkel Trevor.“
Haley starrte ihn kindlich offen an. Ein Plüschtier – eine lilafarbene Angorakatze, die aussah, als hätte sie schon bessere Tage erlebt – baumelte in ihrer Hand. Ein paar Strähnen ihres lockigen Haars waren aus dem Pferdeschwanz gerutscht. Sie streifte sie leicht ungeduldig aus ihrem Gesicht.
„Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit du ein Baby warst“, sagte Trevor.
„Ich bin aber kein Baby mehr. Ich bin fünf Jahre alt.“ Sie spreizte ihre kleine Hand und hielt sie hoch.
Er lächelte, als er sich hinkniete, um auf Augenhöhe mit seiner Nichte zu sein. „Ich meinte nur, dass deine Mom mir zwar Fotos von dir geschickt hat, aber dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie groß du inzwischen geworden bist.“
Haley schwang die abgeliebte Katze hin und her und ließ Trevor dabei nicht aus den Augen. „Du siehst aus wie Onkel Brian.“
Ihm zog sich das Herz zusammen, als der Name seines
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