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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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hebräischer Sprache hielt, um sie für die Taufe zu gewinnen. Sie gingen wie Trunkene, denn sie hatten, um die Predigt nicht anhören zu müssen, zu einem alten und erprobten Mittel gegriffen: Zwei Tage und zwei Nächte hatten sie durchwacht, und nun waren sie in einem solchen Zustand der Erschöpfung, daß sie in Schlaf fallen mußten, sobald sie sich in der Kirche zum Sitzen niederließen.
    »Juden hier, Juden dort, Juden drüben, Juden herüben, überall Juden«, erzürnte sich der Kaplir. »Sie haben sich dermaßen vermehrt, daß ihrer bald mehr sein werden als Christen im Land.«
    »Das steht in der Allmacht Gottes«, sagte der Zaruba, den es zu verdrießen begann, daß sein neuer Verwandter von nichts anderem zu reden wußte, als von seinem Schmalz, seinen Eiern und von den Juden.
    »Ich sehe«, fuhr dieser fort, »in ihrer Menge und in ihrem Reichtum nur ein trauriges Zeichen, daß Gott wider uns Christen erzürnt ist.«
    Der Zaruba ging auf diesen Gedanken ein und spann ihn weiter.
    »Vielleicht«, meinte er, »hat sie uns Gott, da sie doch Unbekehrte sind, als einen Spiegel der Besserung und zu unserer Erleuchtung vor Augen gesetzt.«
    »Ach, geh du mit deiner Erleuchtung, daß ich dich nicht auslach'!« schrie der Kaplir halb belustigt und halb erzürnt. »Sie kommen bei uns auf die adeligen Höfe, aber nicht wegen der Erleuchtung, sondern sie kaufen das Schmalz, die Butter, den Käse, die Eier, die Leinwand, die Schafwolle, die Häute und das Groß- und Kleinvieh. Sie zahlen bar, das ist wahr, für den Stein Wolle legt der Jude dir vier Gulden auf den Tisch. Und wenn sie nicht bar zahlen, so geben sie Sicherheiten und gute Bürgschaft. Und dann bringen sie dem Gutsherren die Schnüre und die Litzen für die Livreen der Dienerschaft ins Haus, Zimt, Ingwer, Nägelein und eingemachte Muskatnüsse für die herrschaftliche Küche, und Seidenfransen, Flor und Schleier für die Frau und die Töchter.«
    »Du siehst also selbst«, sagte der Peter Zaruba, »und gibst es zu, daß durch die Juden die Kommerzien florieren.«
    »Mein Vater hochseligen Gedächtnisses«, sprach Georg Kaplir weiter, »hat mich aber unterwiesen, daß man den Juden nichts verkaufen soll. Jeder zu den Seinen, hat er immer gesagt, der Jud' soll mit Juden Handelschaft treiben und der Christ mit Christen. Und so hab' ich es auch mein Leben lang gehalten. Wenn nur die oben in der Burg nicht gar so säumige Zahler wären! Sag mir, Peter, wohin geht das viele Geld? Wohin gehen die Zollgefälle, die Landeskontributionen, die Kreissteuer, die Haussteuer, die Kopfsteuer, die Akzisen, der Kammerzins, die Umlagen, die Bierkreuzer, die Mautgebühren —, wohin läuft des Kaisers Geld?«
    Sie waren auf dem Platz vor der Burg angelangt, da war ein großes Kommen und Gehen von Lakaien, Kanzlisten, Kurieren, Stallknechten, Standespersonen, hohem und niederem Klerus und Offizieren zu Pferd und zu Fuß. Armbrustschützen von des Kaisers Leibgarde hielten die Wache am Tor.
    »Da mußt du den Philipp Lang fragen«, sagte der Zaruba und wies mit der Hand auf die hohen Fenster der Burg. »Der ist des Kaisers Leib- und Kammerdiener, und es heißt, daß er seine Hände in allen Staatsgeschäften hat. Vielleicht weiß der, wohin des Kaisers Geld geht.«
    Der Georg Kaplir war stehengeblieben.
»Hör mich, Peter!« schlug er seinem Anverwandten vor. »Hätt'st du nicht Lust, mit dabei zu sein, wenn ich mein
    Geschäft dort oben erledige? Ich werd' dich dem Johann Osterstock präsentieren, zweitem Sekretär im Obersthofmeisteramt, der ist's, der mir mein Geld auszahlt, wenn der erste Sekretär die Rechnung durchgesehen und für richtig befunden hat. Ein freundlicher Herr, der Johann Osterstock, von meinem Vater im zweiten Glied ein Vetter, spricht auch immer von unserer Verwandtschaft, und das Ende wird sein, daß er uns beide, dich und mich, zu einer Collation an des Kaisers Tisch lädt.«
    »An des Kaisers Tisch?« unterbrach ihn der Peter Zaruba. »Mich an des Kaisers Tisch?«
»Ja, dich auch, Peter, wenn du mit mir kommst«, erklärte ihm der Kaplir. »Wie man so sagt, an des Kaisers Tisch. Wir werden mit den Herren Offizieren von der Leibwache speisen. Diese Ehre hat mir der Johann Osterstock immer erwiesen.«
»Hör mich an, Georg!« sagte der Peter Zaruba nach einem kurzen Schweigen. »Wie lang ist es jetzt her, daß die Anna Zaruba mit deinem Bruder Heinrich zusammengegeben worden ist?«
»Am Freitag nach Invocavit war's ein Jahr«, gab der Kaplir verwundert

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