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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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instand zu setzen. Der Kommandant der Festung Baab klagt über Mangel an Vorräten, muß befriedigt werden. Der Vizedom von Linz verlangt Geld für Ihro Majestät Bausachen, soll warten. Die drei Tigerkatzen, die im vorigen Jahr aus Florenz in des Kaisers Tiergarten eingetroffen sind, sind bis heute nicht bezahlt. Graf Wolf von Degenfeld will für vierzigjährige Dienste durch ein kaiserliches Gnadengeschenk erfreut sein, soll warten. Die Hartschierer in der Burg haben ihre Löhnung noch nicht empfangen, beginnen störrisch und obstinat zu werden ...«
»Man sagt aber«, sprach ein Mann, der am Nachbartisch saß, den Kaplir an, »daß der Olmützer Bischof dem Obersthofmeisteramt vor drei Tagen achthundert Dukaten für die kaiserliche Tafel vorgestreckt hätt', davon müßt' doch noch etwas vorhanden sein.«
»Man sagt! Man sagt!« äffte ihn der Kaplir nach, denn er liebte es nicht, wenn sich fremde Leute in sein und seiner Freunde Gespräch einmengten. »Ich geb' nichts drauf, was fremde Leut' daherreden. Ein Tauber hat gehört, wie ein Stummer erzählt hat, daß ein Blinder gesehen hat, wie der Lahme auf dem Seil tanzte.«
Er streifte den Mann am Nebentisch mit einem geringschätzigen Blick und fuhr dann, zum Zaruba gewendet, fort:
»Wie ich ihnen dann immer wieder sagte: Kein Geld, kein Schmalz, und mir wolle man meine Zahlungen auch nicht stunden, da fragte mich der Herr Sekretär, ob ich mich für diesmal mit zwanzig Gulden zufrieden geben wolle, und schrieb mir eine Anweisung aus, mit der soll ich... «
Er hielt inne, schüttelte den Kopf, fuhr sich über die Stirne und sagte dann:
»Was ist doch das Leben für eine Pulcinell-Komödie!«
»Wohin sollst du mit deiner Anweisung?« fragte der Zaruba.
»Halt dich fest, Peter, daß du nicht vom Tisch fällst!« sagte der Kaplir. »Zum Meisl-Juden ins Haus auf dem Dreibrunnenplatz soll ich gehen, der wird mir mein Geld auszahlen. Ich, der Georg Kaplir auf Sulavice, soll zum Juden in die Judengasse! Ist das zu glauben?«
Er zog die Anweisung aus der Tasche, sah sie durch, faltete sie zusammen und steckte sie wieder ein.
»Zuletzt«, berichtete er, »hat mich dann der Johann Osterstock an die Offizierstafel gesetzt, aber mir hat der rechte Appetit gefehlt, ich hab' dem Essen wenig Ehre erwiesen. Von der Suppe hab' ich ein paar Löffel genommen, eine Wildsuppe war es ...«
»Eine Wildsuppe hab' ich auch gehabt«, fiel ihm der Peter Zaruba ins Wort. »Und nachher Eierkuchen, ein Chaudfroid von Hühnerfleisch und noch ein zweites Vorgericht ...«
»So?« sagte der Kaplir in gedehntem Ton. »Das hast du gehabt? Und was noch weiter?«
»Gespickten Fisch und weiß Gott, was noch alles«, sagte, gegen ein Gähnen ankämpfend, der Zaruba. »Zwölf Schüsseln, es war zuviel.«
»Auch ein Fasanenragout?« wollte der Kaplir wissen, »auch Wachteln auf geröstetem Brot?«
»Ja«, bestätigte der Zaruba. »Woher weißt du das?«
»Und zum Schluß Marzipan, Trauben und ungarischen Käse?«
»Ja. Woher weißt du das?«
Der Kaplir lehnte sich in seinen Stuhl zurück und rief den Wirt herbei.
»Wie geht das zu«, fragte er ihn, »daß du deinen Gästen heute die gleichen Schüsseln gereicht hast, die man mir oben auf der Burg vorgesetzt hat?«
»Bei mir geht es ganz ordentlich zu«, erwiderte der Wirt. »Jedermann darf wissen, wie es zugeht. Es wird viel gesotten und gebraten in der kaiserlichen Küche, aber verzehrt wird dort oben nicht gar viel, und was übrig bleibt, das verkaufen die Tafelaufwärter den Wirten in der Umgebung, und da hab' ich auch meinen Teil. Aber nur an Werktagen, denn an Sonntagen, da kommen die kleinen Leute, die wollen nicht drei böhmische Groschen fürs Essen zahlen.«
Der Peter Zaruba war bleich geworden. Der Schlaf war ihm vergangen.
»Georg!« stieß er hervor. »Ich hab' von des Kaisers Tisch gegessen.«
»Wahrhaftig, ja!« lachte der Kaplir. »Nun -? Ist nicht das Leben eine Pulcinell-Komödie?«
Aber dem Peter Zaruba war es, als ob ihm ein Mühlstein auf der Brust läge.
»Ich hab' von des Kaisers Tisch gegessen«, flüsterter er. »Was wird aus dir, evangelische Freiheit? Mein goldenes Böhmerland, was wird aus dir?«
    »Er hat gedacht«, sagte mein Hauslehrer, der stud. med. Jakob Meisl, der mir fünfzehnjährigem Jungen auf seiner »Bude« in der Zigeunergasse die Geschichte vom Peter Zaruba und dem Tisch des Kaisers erzählt hatte, »er hat, wie er in den Wirtshausgarten ging, der Peter Zaruba, gedacht, den Kopf kann's nicht kosten, - es hat ihn

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