Nachts wenn der Teufel kam
dem Weg zu gehen, verkaufte schließlich Frau Lüdke Pferd und Wagen. Nachdem Lüdke einige Zeit noch zu Hause herumgebummelt hatte, mußte er sich schließlich auf Drängen seiner Mutter um eine andere Arbeit bemühen, und er erhielt am 28. August 1939 eine Anstellung als Kutscher bei dem Fuhrunternehmen Kettlitz in Köpenick. Wegen dauernden Bummelns und undisziplinierten Verhaltens mußte er dort aber am 24. Dezember 1940 entlassen werden.
Am 13. Januar 1941 nahm Bruno Lüdke Arbeit als Mehlabträger bei der Bäckerei-Einkaufsgenossenschaft in seiner Heimatstadt an. Aber er vernachlässigte wiederum seine Pflichten in gröblichster Weise. Seine Arbeitgeber schilderten ihn bei der Polizeivernehmung als frech, faul, launenhaft und unberechenbar. Wenn es ihm nicht paßte, verließ er die Arbeitsstelle, um sich dann mehrere Tage irgendwo herumzutreiben.
Sein letzter Arbeitgeber sah sich schließlich gezwungen, den Reichstreuhänder der Arbeit mit dem Ersuchen anzurufen, gegen Lüdke mit Strafmaßnahmen vorzugehen. Aber Lüdke wurde lediglich wegen Arbeitsvertragsbruchs verwarnt. Der Reichstreuhänder lehnte eine Bestrafung mit dem Hinweis ab, daß sie wegen Unzurechnungsfähigkeit des Beschuldigten nicht erfolgen könnte.
Lüdke wurde entlassen und bis zum Ableben seiner Mutter wieder zu Hause beschäftigt.
Die Angehörigen und Zeugen erklärten übereinstimmend, daß er schon in seiner frühesten Jugend ein schwer erziehbares, eigensinniges Kind gewesen sein soll. Einen kriminellen Drang wollten sie jedoch bei ihm nicht bemerkt haben. Nach seiner Einsegnung im 14. Lebensjahr kamen die ersten Unterschlagungen auf. Dann ging er dazu über, Kunden um kleinere Geldbeträge anzupumpen. Aber die Familienangehörigen machten jeweils den Schaden wieder gut.
Ende 1938 kam Lüdke zum ersten Mal offiziell mit den Strafgesetzen in Konflikt. Wegen Holzdiebstahls. Das Amtsgericht bestrafte ihn am 17. Januar 1939 mit drei Monaten Gefängnis auf Bewährung. Auf Grund des Gnadenerlasses vom 9. September 1939 wurde er amnestiert. Alle weiteren Verfahren wurden unter Hinweis auf den Paragraphen 51 StGB (verminderte Zurechnungsfähigkeit) abgelehnt.
Lüdke war wegen Diebstahls einer Ente unter Ausnutzung der Verdunkelung angezeigt worden. Am 13. August 1940 hatte er Blumen vom Friedhof entwendet. Weitere Strafanzeigen wegen Kohlendiebstahls und Kleintierdiebstahls fanden keine Ahndung. Die hier wiedergegebenen Eigentumsdelikte dürften nur einen kleinen Teil seiner Straftaten ausmachen, da seine Angehörigen den Schaden immer unter der Hand wiedergutzumachen pflegten.
Erst die Aufrollung der Mordsache durch die Sonderkommission zeigte auf, daß Lüdke ein viel gemeingefährlicherer Verbrecher war, als dies im allgemeinen angenommen wurde. Der Umstand, sich als harmloser Idiot zu tarnen, hat wohl zum großen Teil dazu beigetragen, daß Lüdkes wahres Wesen nicht früher erkannt und er somit nicht eher zur Strecke gebracht werden konnte.
Schon sehr frühzeitig machte sich bei Lüdke ein starker Wandertrieb bemerkbar. So trieb er sich schon als Schüler bis in die späten Abendstunden in Köpenick umher und mußte immer nach langem Suchen von seinen Angehörigen nach Hause geholt werden. Nach der erfolgten Schulentlassung machte sich dieser Trieb immer stärker bemerkbar. Von jetzt ab entfernte er sich oft mehrere Tage hintereinander von zu Hause. Während sich seine Eltern zuerst um ihn sorgten und Nachforschung über seinen Verbleib anstellten, fanden sie sich mit der Zeit mit diesem Zustand ab. Nur so erklärt es sich, daß sie nie Vermisstenanzeige erstatteten.
Die Bedenken der Eltern, daß ihrem Sohn bei seinem Herumtreiben ein Unglück zustoßen könnte, waren anscheinend durch die Tatsache zerstreut worden, daß Bruno immer wieder nach Hause zurückkehrte.
Vom 10. bis zum 16. Lebensjahr erstreckten sich seine Streifzüge zunächst nur in die Umgebung von Berlin. Mit der Vollendung des 16. Lebensjahres fuhr er weiter und kam schließlich nach Leipzig, wo er am 2. Oktober 1924 die Kontoristin Hildegard Wechselbaum ermordete. Von dieser Zeit ab hat er seine Streifzüge auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt.
Um von zu Hause wegzukommen, benutzte er sein Fahrrad, die Eisenbahn oder besonders in den letzten Jahren Fernlastzüge. Wenn er die Bahn benutzte, stellte er sich an den Schaltern der Berliner Fernbahnhöfe auf, horchte, welche Fahrtziele die Reisenden angaben, und löste sich dann ebenfalls eine Fahrkarte nach dem
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