Nachts wenn der Teufel kam
seinen Untaten. Es ist bestimmt kein Zufall, daß das Veto in dem Augenblick erfolgte, als Kriminalkommissar Franz im Begriff war, einen Justizmord in Glogau zu klären – als er einen Akt aus dem Jahre 1934 aufgriff, als er feststellte, daß ein Mann wegen angeblichen Mordes an einer Frau hingerichtet worden ist, der bis zuletzt beteuert hatte, unschuldig zu sein.
Gerade von diesem Mord aber spricht Bruno Lüdke immer wieder. Nachts, wenn er aufwacht, wenn er die Fliegerbomben fürchtet, wenn ihm seine Opfer als Schreckgespenster erscheinen, wenn er, vor Angst schlotternd, unter die Pritsche kriecht, meldet er sich zur Vernehmung, um über diese Sache auszusagen.
Für Kriminalkommissar Franz gibt es keinen Zweifel, daß er einem Justizmord gegenübersteht. Aber da liegt das Fernschreiben vor ihm:
›Sämtliche Ermittlungen sind unverzüglich abzubrechen. Bruno Lüdke ist bis auf weiteres dem Untersuchungsgefängnis in Wien zu überstellen und weiteren psychiatrischen Experimenten zu unterziehen. Der Schlußbericht ist beschleunigt anzufertigen. Weitere Weisung ergeht.‹
Dieser Schlußbericht ist ein Superlativ unter den Geheimdokumenten des Dritten Reiches.
Die Biographie des Bruno Lüdke ist sachlich, nüchtern, im Amtsdeutsch abgefasst. Es ist die Geschichte einer fast zwanzig Jahre andauernden Niederlage des Fahndungsapparates und des ebenso langen Triumphes eines schwachsinnigen Teufels.
Hier ist sie, im Auszug, wörtlich wiedergegeben:
Bruno Lüdke wurde am 3. April 1908 als viertes von sechs Kindern der Wäschereieheleute Otto Lüdke und Emma Lüdke, geborene Loff, in Berlin-Köpenick geboren. Von den fünf Geschwistern verstarben drei im frühesten Kindesalter. Es leben jetzt noch zwei Schwestern, die mit Handwerkern verheiratet sind.
Aus den bisher beschafften Unterlagen ist nicht ersichtlich, daß Erbkrankheiten in der Familie aufgetreten sind. Die Geburt des Lüdke ist nach den hier vorliegenden Erbgesundheitsakten normal verlaufen. Nach Angaben seiner Angehörigen erlitt Lüdke mit eineinhalb Jahren einen Unfall, der es verschuldet haben soll, daß er in seiner geistigen Entwicklung zurückgeblieben ist. Er soll damals so unglücklich auf den Hinterkopf gefallen sein, daß er längere Zeit in einem starrkrampfähnlichen Zustand gelegen hat. Im Kindesalter hat er Masern und Windpocken und im Alter von 18 Jahren eine Lungenentzündung durchgemacht.
Von 1914 bis 1919 besuchte er zunächst die Volksschule in Köpenick bis zur sechsten Klasse. Da er das Klassenziel mehrfach nicht erreichte und sich starke Anzeichen einer minderen Begabung bei ihm bemerkbar machten, wurde er in die Hilfsschule Köpenick eingewiesen, die er im Herbst 1922 verließ.
Aus dem Abgangszeugnis ist zu ersehen, daß sein Betragen und seine Führung in der Hilfsschule zu Klagen keinen Anlass gaben und er sich willig, freundlich und dienstbereit gezeigt haben soll. Seine Leistungen erreichten aber nicht den Durchschnitt der Klasse, sondern blieben auch hier dauernd unzulänglich.
Nach den Beobachtungen seines Klassenleiters zeigte Lüdke schon frühzeitig ein besonderes Interesse für Pferde und den Fuhrwerksbetrieb. Es wurde deshalb vorgeschlagen, ihn in einem ähnlichen Betrieb unterzubringen, um ihm hier Gelegenheit zu geben, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Diesem Vorschlag seines Lehrers sind die Eltern, die in Köpenick einen kleinen Wäschereibetrieb unterhielten, nachgekommen und haben ihren Sohn damit beschäftigt, das Gespann des Gewerbebetriebs zu warten und kleinere Arbeiten zu verrichten, bei denen eine besondere Intelligenz nicht vorausgesetzt zu werden brauchte. Lüdke hat dann lange Zeit mit diesem Gespann Wäsche an Kundschaft ausgefahren.
Nach dem im Jahre 1937 erfolgten Ableben des Vaters behielt die Mutter das Pferdefuhrwerk noch ungefähr eineinhalb Jahre, und während dieser Zeit war Bruno Lüdke die Wartung des Gespanns allein überlassen. Er übernahm kleinere Lohnfuhren. Das vereinnahmte Geld lieferte er nur in den seltensten Fällen bei seiner Mutter ab. Meistens unterschlug er es und brachte es in leichtsinniger Gesellschaft durch. Aber auch zur Begehung strafbarer Handlungen hat Lüdke dieses Fuhrwerk ausgenutzt. So fuhr er des öfteren in die in der Nähe von Köpenick gelegenen Wälder, lud dort wahllos das in Metern aufgesetzte Holz auf seinen Wagen und verkaufte es an irgendwelche Leute, die gerade ein Interesse am Holzkauf hatten.
Um dem dauernden Ärger, den ihr Bruno bereitete, aus
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