Nachts wenn der Teufel kam
seinen Folgen gegenüber. Bauer sieht es, und er wendet den Blick. Er geht ein paar Schritte zur Seite. Er kann nicht mehr. Die Knie schlottern ihm. Es ist ihm schlecht.
Polizeibeamte, die bisher nichts für ihn übrig hatten außer Verachtung und Gleichgültigkeit, beobachten ihn mitleidig.
Er muß sich hinsetzen.
Die Vernehmung des richtigen Mörders geht weiter. Fritz Bauer ist Zeuge . Er hört, wie der Mann die Tat beschreibt. Er hört es und denkt an die Gutachten der Sachverständigen, die ihn sozusagen ›wissenschaftlich‹ überführt hatten.
»Warum jetzt erst!« stöhnt Fritz Bauer. »Warum nicht früher! Warum nicht gleich!«
Die Sonderkommission fährt ihn wieder nach Hause.
»Sie haben ja alles mitangehört«, sagt Franz. »Sie sind völlig unschuldig. Ich werde das heute noch den zuständigen Behörden mitteilen. Es tut mir leid, daß ich Ihnen das erst so spät sagen kann.«
Es ist still im kleinen Gastraum. Im Hintergrund sitzt eine Frau und schluchzt. Frau Anna Bauer. Diesmal verbirgt sie ihre Tränen nicht.
»Es ist nicht meine Sache, mich bei Ihnen zu entschuldigen«, fährt Franz fort. »Trotzdem möchte ich es tun.«
Kriminalkommissar Franz hat den Anfang gemacht. Dutzende von Dorfbewohnern folgen seinem Beispiel. Aber immer noch gibt es in Grüneberg eine Partei, die Fritz Bauer unversöhnlich gegenübersteht.
Auf den Rat des Kriminalkommissars Franz hin betreibt der Gastwirt seine offizielle Rehabilitierung. Und seine Entschädigung. Die Polizeiaufsicht wird aufgehoben. Aber obwohl der Staat wissen muß, daß er die Leiden des Fritz Bauer nie ganz mit Geld entschädigen kann, macht er bei der finanziellen Wiedergutmachung Ausflüchte und Schwierigkeiten. Er verlangt immer neue Unterlagen. Als sie der ›unschuldige Mörder‹ endlich zusammen hat, kommen die Russen.
Fritz Bauer verliert alles – sogar die Dokumente, die seine Unschuld beweisen.
Das Schicksal spült den Flüchtling nach Schleswig-Holstein. Er ist alt geworden und kränkelt. Seine drei Töchter leben bei ihm. Die älteste arbeitet in Hamburg und ist verlobt. In ein paar Monaten will sie heiraten. Der Bücherschrank und die Stühle im Wohnzimmer ihrer Eltern gehören ihr.
Die fünfköpfige Familie wohnt praktisch in einer Küche und einem Zimmer. Man muß über den Dachboden steigen, um in die Wohnung zu gelangen.
Ein paar Mal wurde Bauer bei Behörden vorstellig, um seine Wiedergutmachungsansprüche anzumelden. Aber um sie durchzusetzen, fehlten ihm die Unterlagen.
Und weiter geht die Rundreise der Sonderkommission mit dem Massenmörder Lüdke. Vier Morde, die schon seit Jahren nicht geklärt sind, müssen ausgeschieden werden. Bruno Lüdke hat mit ihnen nichts zu tun. Er beschrieb zwar ähnliche Schauplätze, aber er kannte die Orte nicht. Mit Ortsnamen klappt es in seiner Erinnerung meistens nicht. Er schildert beispielsweise den Mord an der Prostituierten Rosina Gross in allen Einzelheiten, aber er konnte nicht einmal annähernd die Gegend nennen, in der er ihn verübt hat.
Schon will es Kriminalkommissar Franz aufgeben, da sagt Lüdke: »Det is eine jroße Stadt jewesen. Da ha' ick wat Komisches jesehn. Da harn de Männer so kurze Hosen angejabt und sich immer so uff die nackten Beene jeschlagen.«
Franz glaubt jetzt: Bruno muß einen Schuhplattlertanz beobachtet haben. So etwas gibt es nur in Bayern.
Die Spur führt nach München – und tatsächlich kann hier der Mord in der Sendlinger Straße geklärt werden. Von hier aus fahren die Beamten nach Erlangen zu weiteren Ermittlungen.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg hat sie gebeten, mit Bruno Lüdke in Erlangen ein Experiment anzustellen. Seit dem 17. März 1934 wird eine junge Frau vermisst. Sie arbeitete als Kellnerin und ging nach der Polizeistunde allein nach Hause. Sie sagte wenigstens, sie würde nach Hause gehen.
Sie kam niemals an.
Der Fall machte der Polizei zunächst kein Kopfzerbrechen. Vielleicht eine Liebesgeschichte. Oder eine Kurzschlußhandlung, die eines Tages ihre Aufklärung finden würde.
Wochen später fand man im Staatsforst nördlich Erlangens die Leiche einer jungen Frau. Die Todesursache war strittig. Verschiedene Anzeichen deuteten auf ein Verbrechen hin.
Die Tote wurde als Katharina Clemenz identifiziert.
Was war geschehen? Verübte sie Selbstmord? Wurde sie ermordet? Seltsam war die Stellung ihrer Hände. Sie waren gefaltet, wie beim Gebet.
Die Ermittlungen blieben erfolglos. Im Aktenstück II 238/34 sind sie
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