Nachtwelt (German Edition)
sich etwas verändert zu haben. Ihre Lieblingsnachbarn sprechen in Rätseln und zeitliche Abläufe passen nicht mehr zusammen. Traum und Wirklichkeit scheinen miteinander zu verschwimmen. Je mehr sie über all das nachdenkt, desto weniger ergibt es einen Sinn.
Schnell bürstet sie ihr Haar und cremt sich das Gesicht ein. Im Rausgehen greift sie nach ihrer Jacke und dem Autoschlüssel.
Mimis morgendliche gute Laune ist verflogen. Sie muss mit Petra über die Merkwürdigkeiten dieses Tages sprechen. Petra würde sie nie auslachen und hat bestimmt eine plausible Erklärung für die Geschehnisse.
Petras Haus liegt mitten in der Stadt. Von dort hat Mimis Freundin es nicht weit bis zur Arbeit.
Als Mimi die Tür zu Petras Puppenstube (jede von ihnen hat einen Hausschlüssel der anderen) aufschließt, wird sie zuerst von Tequila begrüßt. Wie eine Keramikfigur sitzt Petras Katze bewegungslos auf der Treppe. Mimi nimmt sie auf den Arm und es ist, als würde sie einen riesigen Wattebausch halten. So weich und plüschig ist Tequilas Fell.
„Na, alles klar?“, fragt Mimi und drückt der Katze einen dicken Kuss zwischen die Ohren. Tequila stemmt sich mit den Vorderpfoten gegen Mimis Brust, um sich ein wenig weg zu schieben. Einen Moment starrt Tequila Mimi aus ihren großen Murmelaugen an, dann entspannt sie sich und fängt an zu schnurren.
Durch die Küche geht Mimi nach hinten in den Garten. Petra, die dort die Sonne genießt, bekommt auch einen dicken Kuss. „Hallo meine Süße.“
„He, Mimi. Hast du gut geschlafen und etwas Schönes geträumt?“
Bestimmt ist die Frage nett gemeint, aber Mimis Ton ist scharf und sie ist genervt, als sie sagt: „Seid ihr heute alle irre? Warum will jeder wissen wie ich geschlafen habe oder ob ich schöne Träume hatte. Habt ihr keine anderen Probleme!“
Beschwichtigend hebt Petra die Hand: „Tut mir leid.“
Mimi entschuldigt sich weder für ihren Ton, noch für ihre blöde Antwort. Es nervt und verwirrt sie, dass jeder den sie in ihrem Traum gesehen hat wissen will, wie ihre letzte Nacht war.
Sie hat keine Lust mehr Petra von ihrem Traum zu erzählen. Irgendwie fühlt sie sich von ihr verraten. So etwas gab es zwischen den beiden noch nie. Als Mimi Petra vor einer gefühlten Ewigkeit kennen lernte arbeiteten beide in einem Ärztehaus.
Sie trafen sich zum Rauchen auf dem Parkplatz und verstanden einander von Anfang an super gut. Dann kam Mimis schwerste und dunkelste Zeit. Es gab Tage an denen sie glaubte, dass es für sie unmöglich sei am Leben zu bleiben. Während dieser Zeit trat Petra leise und schweigend an ihre Seite. Sie konnte Mimis tiefe Traurigkeit aushalten, war geduldig und forderte nichts.
In den schlechtesten Zeiten wird wahre Freundschaft geboren.
Auch Petra musste schlimme Zeiten kennen lernen. Mimi versuchte zurück zu geben, was sie von ihrer Freundin bekommen hatte. Petra war so verzweifelt und leer, dass Mimi Angst hatte, sie könnte sie verlieren. Genau wie Petra vor ihr konnte Mimi nichts tun, außer da sein und warten. Warten auf ein Lachen. Nicht Jenes, dass Mimi und Petra sich für die Leute angewöhnt hatten, damit diese nicht merkten, wie schlecht es ihnen geht. Nein, Mimi wartete auf das wahre Lachen. Das, das die Augen strahlen lässt. Und irgendwann war es da. Noch nicht perfekt, aber von diesem Tag an wusste sie: Alles wird gut.
Petra sitzt Mimi gegenüber und guckt Tequila zu, wie diese versucht Fliegen zu fangen. Mimi betrachtet ihre Freundin. Sie ist groß, über 1,80 Meter und schlank. Petra hat ein schönes Gesicht und in diesem Moment, im Profil, mit leicht erhobenem Kinn, sieht sie stolz und gelassen aus. Auf einmal sieht Mimi Petra, wie sie sie noch nie gesehen hat - als Kriegerin.
Vielleicht tragen Petra und sie tatsächlich ein unsichtbares Schwert mit sich. Das Glück findet schwer den Weg zu ihnen. Wenn das Leben sie am wenigsten will, richten sie sich auf und fangen an zu kämpfen. Mimi lächelt, während sie diesen Gedanken nachhängt.
„Na, worüber freust du dich?“, will Petra wissen.
„Über nichts. Du siehst heute wirklich gut aus.“
„Vielen Dank.“
„Wann kommt Ben?“
„In ungefähr einer halben Stunde, die haben zur Zeit so viele OPs.“
Seit vierzehn Monaten sind Ben und Petra ein Paar. Petra hatte ihren Chef, auf eine Messe für Medizintechnik, begleitet. Dort lernte sie Ben, seines Zeichens Anästhesist an der Uniklinik Kiel, kennen.
Bei einer schnellen Drehung, an
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