Nacktbadestrand
folgte, es war kein Zufall, dass es durch das Meer ging. Es war kein Zufall, dass hier eine Kirche stand. Das alles war die Folge einer höheren Ordnung. Aber die Ordnung war wild: Die Säulen waren geschwungen, und das Gold glänzte. Ich saà noch lang so da, vielleicht schlummerte ich etwas ein. Im Schlaf betete ich vielleicht.
Ich wollte aus meiner Gefangenschaft fliehen. Der Arzt hatte mir erklärt, dass das auch in Ordnung sei. Er hatte recht, er musste recht haben, dachte ich. Ich werde mir einen Mann suchen, dachte ich.
Ich ging im Schlosspark spazieren. Die Pappeln und eine groÃe Eiche bewegten leise ihre Blätter. Auf den Wegen spazierten eingehängt alte Paare. Ich setzte mich auf eine Bank beim kleinen, runden Concordiatempel, der mir schon immer ein besonderes Gefühl der Ruhe vermittelt hatte, und ich blieb bis in den späten Nachmittag dort. Nach Hause war es von hier doch recht weit, und meine Beine taten schon etwas weh. Ich ruhte mich also aus und musterte dabei die paar Männer, die sich hierher verirrt hatten.
Es war eigenartig, dass mir kein Einziger gefiel, obwohl ich mich sehr bemühte, empfänglich dafür zu sein. Ich dachte über die Ordnung in der Kirche nach, verglich sie mit derjenigen der Bäume und der Wege und der Paare hier im Park. Ich könnte etwas darüber schreiben, dachte ich. Ich hatte schon immer gern geschrieben, mit dem Gedanken an eine Veröffentlichung im Hinterkopf, ohne es aber je versucht zu haben. Aber wenn ich nun ans Schreiben dachte, fielen mir nur erotische Geschichtenein. Ich konnte kaum an etwas anderes denken als an schwitzende, sich aneinander reibende Körper. Den männlichen Körpern fehlte dabei meistens das Gesicht. Manchmal hatte einer ein Auge, wenn man genau hinsah. Das war dann ein einzelnes blaues Auge mit dunklen Wimpern unter einer dichten Braue, auf einer Fläche leerer Haut.
Zu Hause betrachtete ich den Schaufelgriff. Er schwieg. Mir war langweilig. Also begann ich von einem sich liebenden Paar zu träumen, holte mir etwas zu schreiben und füllte zwei Blätter Papier mit meinen Gedanken. Dann schaltete ich den Fernseher ein, saà auf dem Sofa, und vor mir lagen ein noch leerer Zettel und ein Stift.
Nach dem ersten Film â es war ein Ãrztefilm, in dem der Arzt seine Sprechstundenhilfe liebte, sie aber seinen Sohn â nahm ich den Kugelschreiber.
Elegante Dame, 79, sucht einen Mann für erotische Augenblicke.
Jung gebliebene Frau, 79, sucht einen Mann für Beischlaf.
Männer, keine Angst, ich, 79, beiÃe nicht!
Ich zerriss das Papier. Mein Plastikgriff lachte mich aus: »Du hast nur mich! Ich verlasse dich nie! Siehst du das Loch, an dem man mich aufhängen kann? Das ist das blaue Auge, in das du so gern blickst!«
Ich lieà den Fernseher laufen und schlief bei einer Musiksendung ein. In der Nacht weckte mich Werbung für Telefonsex. Mit siebzig fängt das Leben erst an, schrie dort eine weiÃhaarige Frau auf allen Vieren. Im nächsten Spot stand eine verwahrloste Langhaarige vor einem Pissoir und lockte Männer an. Ich ekelte mich, machte hastig den Fernseher aus, zog mich um, ging ins Bett und wartete dort im Halbschlaf auf den Morgen.
7
Am Montag raffte ich mich auf und kaufte in der Stadt die aktuelle Ausgabe des Inseratenblattes »Bazar«. Zu Hause blätterte ich die Anzeigen durch und lachte ein wenig über die Formulierungen. Ich machte mir keine Gedanken mehr. Ich war fest entschlossen, eine Anzeige zu schalten. Also wählte ich die Nummer, die auf der ersten Seite angeführt war, und wartete. Eine junge weibliche Stimme meldete sich. Alles ging sehr schnell. Ich diktierte der Telefonistin aus dem Gedächtnis den Text, den ich mir schlieÃlich zurechtgelegt hatte. Er war etwas überlang, also kürzte ich ihn ein wenig. Statt »sucht einen freundlichen Mann jeden Alters« entschloss ich mich für »sucht einen jüngeren Mann«. Dann strich ich noch das unnötige Wort »romantisch«, das sich irgendwie eingeschlichen hatte.
Das nette Mädchen am anderen Ende der Leitung empfahl mir, mein Alter um zehn Jahre nach unten zu korrigieren. Ich befolgte diesen Rat, weil ich befürchtete, dass sich sonst kaum jemand melden würde. SchlieÃlich teilte sie mir eine Nummer und ein Postfach zu. Ich sollte auf Antworten auf dem Postweg warten. Es war erledigt. Ich wartete.
Jeden Tag kontrollierte ich den
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