Nackte Angst
ein neuer Schlag traf. Er hatte still hinter dem Steuer gesessen und überlegt, aber noch keinen Blick nach vom durch die Windschutzscheibe getan. Jetzt, als er seinen Wagen anfahren lassen wollte, sah er den winzig kleinen Zettel, der unter seinem Scheibenwischer befestigt war.
Heiß schoß ihm eine Blutwelle durch den Kopf. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals herauf. Sein Atem keuchte.
Da er nicht mehr den Mut fand, seinen Wagen zu verlassen, um den Zettel von der Windschutzscheibe zu nehmen, schaltete er hastig den Gang ein.
„Fort! — Nur fort von hier!" war sein Bestreben, die Angst vor dem ,Hai' hatte ihn nun völlig erfaßt und hetzte ihn fort.
Ruckartig ließ er die Kupplung des Wagens kommen. — Der Motor heulte auf und war abgewürgt.
Erneut drückte Forrest Bloomedy den Starterknopf. Fluchend riß er den falsch eingeschalteten Gang heraus, warf ihn ratschend in den 4. Gang hinein, mit einem Satz schoß das Fahrzeug von der Gehwegkante weg.
,Forrest Bloomedy fuhr! — Aber mit ihm fuhr der Tod.´
Keines klaren Gedankens mehr fähig steuerte er den schweren Wagen durch die dunklen Straßen des Hafenviertels. — Immer noch prangte der kleine Zettel unter dem Scheibenwischer. — Als Künder seines Todes.
Als er das Gefährt mit quietschenden Reifen in die Kurve zur Commercial-Road hineingerissen hatte, beugte er sich danach weit über das Steuer. Mit der linken Hand drehte er das Seitenfenster herunter und griff fröstelnd nach dem Papier.
Als sei es glühend heiß, so ängstlich hielt er es mit seinen zittrigen Fingern fest. —
„DU HAST ES NICHT ANDERS GEWOLLT!
THE SHARK!"
Die Buchstaben tanzten im schwachen Licht der Instrumentenbeleuchtung vor seinen Augen.
Dann entglitt der Wisch seinen feucht gewordenen Fingern. Er flatterte auf das Bodenblech des Wagens, und blieb dicht neben seinen Füßen liegen. — Dort wurde es auch später aufgefunden.
„Das bedeutet das Ende!" ahnte Forrest Bloomedy in dieser Sekunde. Er konnte auch seinem Schicksal nicht mehr entgehen. Wie lange er in seinem verzweifelten Zustand durch die nebligen, dunklen Straßen Londons gefahren war, konnte er schon nicht mehr ermessen. Auf der Flucht vor seinem vermeintlichen Mörder war dem einst so gnadenlosen Gangsterboß die Zeitrechnung verloren gegangen. —
Als er dann aber zufällig in seinen heimatlichen Stadtteil gekommen war, er das weitverzweigte Netz der Railways, sowie die Marylebone-Station vor sich auftauchen sah, schöpfte er noch einmal etwas Mut und glaubte, doch noch einen Ausweg zu sehen.
— Seine Wohnung lag keine zwei Minuten Fahrzeit von seinem augenblicklichen Standpunkt.
— In der Wohnung hatte er so viel Werte zusammengehäuft, daß er allein damit auch außerhalb des Inselreiches ein sorgloses und angenehmes Leben führen konnte. —
Diese Werte zusammenraffen — und heraus aus London! — Weg, weit weg von diesem schleichenden Ungeheuer — und der sich wohl auch bald nach ihm ausstreckenden Händen der Kriminalbeamten! das war Forrest Bloomedys letzter Wunsch. Er schaffte es aber nicht mehr.
Die Nacht der Sensationen nahm kein Ende Noch auf der Fahrt zum Headquarters wurde der von Kommissar Morry und seinen Männern benutzte Funkwagen vom Informationsraum aus gerufen: „Anwesenheit Kommissar Morrys im Headquarters dringend erforderlich! — Gesuchte Person aus der Post-Offiice vermutlich festgenommen!" lautete die kurze, aber für den Leiter des Sonderdezemates besonders erfreuliche Mitteilung der Zentrale.
„Sir! — Wenn das in diesem Tempo heute nacht so weiter geht, können Sie schon morgen die Akten schließen", sagte der Fahrer des Flitzers begeistert. Sehr schnell fuhr der Wagen mit den Männern des Sonderdezernates über die breite Fahrbahn der Queen-Victoria-Street. Kommissar Morry sah sich kurze Zeit die Fahrweise des Chauffeurs an und war dann gezwungen den Tatendrang seines Rennfahrers abzubremsen. — Lebensmüde war er noch keineswegs. —
„Wir liegen allesam hübsch in Mull und Watte eingepackt in irgendeinem Spital, wenn Sie wie ein Irrsinniger fahren." Der Fahrer drosselte das Tempo.
Es drängte zwar den Kommissar sehr, zum Headquarters zu kommen, aber auch eine so erfreuliche Nachricht wie die von der vermutlichen Festnahme des seit Tagen fieberhaft gesuchten Gangsters aus der Post-Office konnte ihn nicht aus der Ruhe bringen.
Er war verantwortlich für die Männer und konnte eine Unbesonnenheit nicht zulassen.
„Mal hübsch den Witterungsverhältnissen
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