Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
Vom Netzwerk:
so langwierigen Vorbereitungszeit unterziehen zu wollen. Andere Stämme waren bereits davon betroffen, deren Namen nun für immer ausgelöscht waren. Es begann damit, daß sie ihr Wissen vernachlässigten, welches der Schlüssel zum Überleben war. Darauf schwanden allmählich ihre Fertigkeiten, die Fruchtbarkeit der Frauen ließ nach, und die Totemgeister nahmen eine immer feindseligere Haltung ein. Eines Tages blieben dann nur noch die Alten übrig, verschrumpelte Weiber und zahnlose Greise, die im Sand hockten und an Lilienwurzeln kauten, weil sie kein Fleisch mehr essen konnten.
    Die beiden Männer, die jetzt langsam auf ihn zugeritten kamen, verkörperten für Willinja sowohl den Wandel wie auch den Grund dazu. Der dunkelhäutige Mann war zum Diener des Weißen herabgewürdigt worden und ahmte dessen Verhalten, dessen Kleidung und Gewohnheiten nach, er verschmähte das alte Wissen und eignete sich neues an. Der weiße Mann nahm das Land in Besitz, verringerte den Wildbestand, errichtete Grenzbarrieren, brachte neue Gesetze und neue Krankheiten mit; er vermischte sein Blut allmählich mit dem der Stämme und zerstörte sie dadurch. Auch heute konnte der weiße Polizist eine Strafe verhängen, durch die man dem Tag des Endes wieder zwei Schritte näherrückte.
    Die Kadaitjamänner waren zurückgekommen, um von Mundarus Tod, Menyans Ermordung und der Begegnung mit Adamidji draußen vor der Geisterhöhle zu berichten. Sie hatten von ihrem Abkommen berichtet und es zu rechtfertigen versucht; doch er hatte sie ohne ein Wort zu sagen fortgeschickt. Das Abkommen bedeutete nichts, wenn der weiße Mann nicht gewillt war, sich daran zu halten. Willinjas Augen verengten sich und suchten durch die heiße flimmernde Luft zu dringen. Falls sie Mundarus Leichnam brachten, wäre das ein böses Omen. Wenn nicht, gab es noch Hoffnung auf einen günstigen Ausgang. Doch die Reiter waren noch zu weit entfernt, um zu erkennen, was das für eine Ladung war, die das Packpony auf seinem Rücken trug.
    Die Leiche seiner Gattin Menyan war am Flußufer begraben worden. Sie sollte dort bleiben; vielleicht würden sie die Stelle mit einem Rindenstreifen oder einem Steinhügel markieren. Das einfache Begräbnis war für eine Frau ausreichend, vorausgesetzt, daß sie geziemend zur letzten Ruhe gesungen wurde. Im Lager bereiteten sie sich gerade darauf vor: alle Gegenstände, die Menyan benutzt oder berührt hatte, wurden zusammengetragen und in einem Erdloch aufgehäuft, um bei Sonnenuntergang verbrannt zu werden. Geschah das nicht, würden die ›Wingmalungs‹ sich darin festsetzen und Krankheit über den Stamm bringen. Schon allein der Name der toten Frau konnte sie herbeirufen, und darum sprach ihn niemand mehr aus – nicht einmal ihr Mann, der doch so mächtig war.
    Willinja trauerte nicht um sie. Er war zu alt, um mehr als ein bloßes Bedauern zu empfinden; zudem konnte er sich doch bald eine neue mädchenhafte Gattin kaufen. Allerdings konnte er noch zornig werden, und sein Zorn richtete sich gegen den toten Mundaru, dessen törichte Gier eine blühende Frau vernichtet und den gesamten Stamm in Gefahr gebracht hatte. Die Vergeltung war vollzogen; der Blutpreis war entrichtet; doch nur Willinja wußte, daß die Folge eines Verbrechens ein fortgesetzter Fluch war, den keine Strafe völlig auslöschen konnte.
    Die Reiter waren inzwischen näher herangekommen, und Willinja war ein wenig erleichtert, als er sah, daß das Packpony seine gewöhnliche Ladung trug und keine Leiche über seiner Kruppe hing.
    Als sie abstiegen und zu ihm traten, ließ er sich nicht anmerken, daß er sie gesehen hatte, sondern blieb mit gekreuzten Beinen sitzen und zeichnete mit der Fingerspitze Muster in den Sand.
    Neil Adams setzte sich ihm gegenüber und wartete. Billy-Jo blieb einen Schritt abseits neben Adams stehen. Es vergingen ungefähr drei Minuten, bis der Magier sein Haupt erhob und den Polizisten ansah, und es dauerte noch länger, bevor sie zu sprechen begannen. Obgleich Billy-Jo ihnen als Dolmetscher diente, schien es, als wäre er gar nicht vorhanden, als unterhielten sie sich ganz normal über allgemeine Themen.
    »Jemand ist getötet worden«, begann Adams ruhig. »Mundaru, der Mann des Anaburu.«
    »Und Menyan, mein Weib«, sagte Willinja. »Und der weiße Mann?«
    »Der weiße Mann lebt. Doch er kann noch sterben.«
    »Ich wollte es verhindern.« Der Zauberer zeichnete ein kompliziertes Muster in den Sand und wischte es mit seiner Handfläche

Weitere Kostenlose Bücher