Nadelstiche
geweigert hast, mit mir zu reden. Wer hat die Bombe gelegt? Wo ist Travis jetzt?« Sie hatte so viele Fragen und so wenig Zeit.
Manny sah, wie der Ausdruck in Pacos Gesicht von verängstigt zu lediglich vorsichtig umschlug. »Das ist alles zu kompliziert, um es so schnell zu erklären. Wir könnten uns irgendwo verabreden.«
»Von wegen. Du redest jetzt und hier, oder ich zeige deiner Mutter das Dokument.«
Obwohl Manny kaum etwas von dem Text verstanden hatte, spürte sie, dass sie ein starkes Druckmittel in der Hand hatte. Sie beobachtete Paco, wie er mit unstetem Blick seine Risiken abwägte.
»Also gut!«, sagte er schließlich. »Travis ist in einer Wohnung in Brooklyn. Rosamond Street 329, Wohnung 4E. Er hat mich gestern von dort angerufen, aber er konnte nicht reden.«
»Was–« Aber Manny wurde durch eine schrille Stimme von draußen unterbrochen.
»Ms Medford? Ist Ihnen nicht wohl? Brauchen Sie Hilfe?«
Manny stieß Paco Richtung Tür. »Bring deine Mutter irgendwie wieder ins Wohnzimmer. Sag ihr, du wärst mir auf dem Flur begegnet und hättest mir gezeigt, wo die Küche ist, weil ich einen Schluck Wasser trinken wollte. Ich komme in ein paar Sekunden nach.«
Jake trabte die First Avenue hinunter, bemüht, möglichst viel New Yorker Grund und Boden zwischen sich und das Apartmenthaus der Sandovals zu bringen.
Während er ging, schimpfte er vor sich hin. »Absolut unverantwortlich … fahrlässig und unreif … immer zählt nur, was für dich wichtig ist …«
Manny, die ihm im Abstand von vier Schritten folgte, konnte nur Teile der Tirade verstehen, aber der Tenor war ihr klar. Sie versuchte gar nicht, sich zu verteidigen. Jake hatte recht: Sie hatte ihn dazu gebracht, seine Karriere aufs Spiel zu setzen. Sie hätte sich die langfristigen Konsequenzen klarmachen sollen, die eine mögliche Entdeckung für sie gehabt hätte. Aber schlussendlich hatten sie es geschafft. Warum also diese Entrüstung? Sie hasste es, wenn er einen auf erboste Vaterfigur machte. »Nicht so schnell«, keuchte sie. »Du bist ja anstrengender als eine Stunde Spinning.«
»Lass dir ruhig Zeit. Du musst nicht weiter mitkommen. Ich hab meinen Zweck erfüllt, also kann ich ja wohl gehen.«
Aha, jetzt kommt wohl die Ausgenutzter-Lustknabe-Nummer. » Wieso regst du dich so auf? Hat doch alles prima geklappt. Ich hab dieses Dokument, mit dem ich vielleicht rauskriegen kann, was eigentlich los ist, und ich hab erfahren, wo Travis steckt. Und« – Manny griff in ihre Tasche und zog ein kleines, gelbliches Rechteck heraus – »wir haben sogar einen Scheck über fünftausend Dollar bekommen.«
»Was zum Teufel sollen wir damit machen?«
»Ich schicke ihn an Home Again. Ich wette, wenn ich denen erzähle, wie toll du Leuten Spenden abschwatzen kannst, holen sie dich in ihren Vorstand.«
Nicht mal der Anflug eines Lächelns. Menschenskind, er war wirklich stinksauer. Manny startete einen neuen Versuch.
»Jake, sieh mal! Ein Souvlaki King.« Sie packte seinen Arm und hielt ihn fest. »Komm, wir gehen was essen. Ich hab Hunger.«
»Essen! Wie kannst du in so einem Moment an Essen auch nur denken? Ich hab immer noch dermaßen viel Adrenalin im Körper, dass ich bis nächsten Dienstag bestimmt weder essen noch schlafen kann.«
»Ich hab doch irgend so einen Parasiten in mir, schon vergessen? Ist bestimmt ein Bandwurm.«
Jake starrte sie einen Moment lang an. Dann begann seine Oberlippe zu zucken. Es dauerte nicht lange, und seine Schultern bebten. Als sie endlich in den Souvlaki King stolperten, waren sie vor lauter Lachen nur noch imstande, auf den Gyrosteller auf der Speisekarte zu zeigen, ehe sie sich prustend auf eine rote Vinylsitzbank fallen ließen.
20
Du hast Zaziki am Kinn.« Jake lächelte Manny an und zeigte ihr an seinem eigenen Kinn die Stelle.
Sie grinste und wischte sich mit einer Handvoll von den dünnen Servietten des griechischen Schnellrestaurants den Mund ab. Jake staunte immer wieder darüber, dass Manny sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. Wenn er seiner Exfrau Marianna dasselbe gesagt hätte, wäre sie erbost vom Tisch aufgesprungen und hätte zwanzig Minuten auf der Damentoilette verbracht, um den entstandenen Schaden zu beheben. Aber natürlich hätte Marianna niemals im Souvlaki King gegessen. Und selbst wenn sie doch per Zufall in so einem Etablissement gelandet wäre, hätte sie nie und nimmer den Gyrosteller bestellt. Seine Exfrau aß nichts, was beim Verzehr zu irgendwelchen
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