Nadelstiche
Verschmutzungen führen konnte, keinen Hummer, keine Maiskolben, niemals. Kein Wunder, dass seine Arbeit sie angewidert hatte.
Manny lehnte sich zurück. »Ah, das hat gutgetan. Genau das Richtige vor der langen Fahrt nach Brooklyn.«
Jakes milde Stimmung verflog. »Brooklyn? Wir können jetzt nicht sofort nach Brooklyn. Ich muss zurück ins Büro.«
»Wieso ›wir‹, Kollege? Ich kann mich nicht erinnern, dich darum gebeten zu haben.«
Jake blickte sie finster an. »Du kannst nicht allein in irgendeine fremde Wohnung in Brooklyn spazieren. Kein Mensch weiß, was dich da erwartet oder bei wem Travis ist.«
»Mir passiert nichts.« Manny stand auf und strich den sittsamen Rock glatt, den sie für ihren Auftritt als Tierschutzaktivistin ausgesucht hatte. »Schau dir an, wie ich aussehe – wie eine graue Maus. Kein Mensch wird mich auch nur zur Kenntnis nehmen.«
Jake stand auf, um ihr den Weg zu versperren, worauf der Kellner alarmiert mit der Rechnung herbeieilte. »Manny, bitte. Das ist doch ein unnötiges Risiko. Warte bis halb sechs, dann fahren wir zusammen hin.«
Manny tänzelte um ihn herum. »Ich brauche keinen Aufpasser. Mit jeder Minute, die Travis nicht zu Hause ist, reitet er sich beim FBI tiefer in den Schlamassel. Ich muss mit ihm reden, rausfinden, was los ist, und ihn dann zu meinen Bedingungen wieder zurückbringen, nicht zu deren.«
»Sei nicht so leichtsinnig!« Jake fasste ihre Schultern, aber sie wich zurück und marschierte durch den Mittelgang davon. Jake folgte ihr. Déjà vu – Erinnerungen ans Ii Postino.
»Die Rechnung! Sie bezahlen jetzt die Rechnung!«, schrie der Kellner.
»Gib dem Mann sein Geld, Jake«, riet Manny und stieß die Tür des Restaurants auf.
»Dann ruf wenigstens Sam an, dass er dich begleitet«, rief Jake ihr nach, während er nach seinem Portemonnaie kramte.
»Okay, klar. Bis dann – danke fürs Essen!«
Und weg war sie.
Jake stand an der Kasse und sah ihre roten Haare in der Menge verschwinden. Er wusste ganz genau, dass sie Sam nicht anrufen würde. Sollte er ihr nach Brooklyn folgen? Bis sie ihren Wagen geholt und den Nachmittagsverkehr hinter sich gebracht hatte, könnte er es mit der U-Bahn zur Rosamond Street schaffen. Er dachte an den Berg von Arbeit auf seinem Schreibtisch, an die Stunden heute Vormittag, die er nicht im Büro gewesen war. Pederson schäumte wahrscheinlich schon.
Na und? Zum Teufel mit Pederson. Er würde Manny nicht tatenlos in ihr Unglück rennen lassen, nur um sich Ärger mit seinem Chef zu ersparen. Also wie war noch mal die Adresse, die Paco ihr genannt hatte? Jake schloss die Augen und versuchte, seinen Verstand zu beruhigen, damit sie ihm wieder einfiel.
»He.« Der Kellner stupste ihn an. »Ihr Wechselgeld. Sind Sie so was wie ein Pferd? Schlafen Sie im Stehen?«
Jake blickte ihn wütend an. Falsche Höflichkeit, um mehr Trinkgeld zu bekommen, konnte man dem Burschen wahrhaftig nicht nachsagen. Jetzt würde ihm die Adresse mit Sicherheit nicht mehr einfallen. Er vermutete, dass die Rosamond Street eine von den kurzen Straßen in Carroll Gardens war, aber er würde sicherheitshalber im Stadtplan nachsehen. Wahrscheinlich könnte er einfach auf der Straße warten, bis Mannys auffälliges schwarzes Cabrio aufkreuzte.
Verdammt – er konnte diesen ganzen Mist nicht gebrauchen. Manny war eine Komplikation in seinem Leben, eine Komplikation, die ihn daran hinderte, sich hundertprozentig auf seine Arbeit zu konzentrieren.
Sein Handy klingelte. Der Knoten der Anspannung in ihm löste sich. Das war bestimmt Manny, die ihm sagen wollte, dass sie es sich anders überlegt hatte und bis halb sechs warten würde, um dann mit ihm zusammen nach Brooklyn zu fahren.
»Hallo.«
»Rosen, machen Sie, dass Sie zur 164. Straße West kommen, Nummer 233.« Pedersons knurrende Stimme drang aus dem Hörer. »Da wartet die nächste Leiche auf Sie. Ihr Vampir hat wieder zugeschlagen.«
Jake trat hinaus auf den Bürgersteig und spähte in die Richtung, in die Manny davongestürmt war. Dann wandte er sich um und ging in die andere Richtung davon. Was auch immer Manny auf der Rosamond Street erwartete, sie würde allein damit klarkommen müssen.
Als Jake die Straße in Harlem erreichte, auf der es von Polizeiwagen wimmelte, tigerte ein graugesichtiger Pasquarelli vor einer mit Brettern vernagelten Ladenfront auf und ab. Durch ein für alle Zeit festgerostetes Metallgitter war noch so gerade eben ein Schriftzug auf dem verdreckten Fenster zu
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