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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baden & Kenney
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Cousin war. Die beiden hatten dunkles Haar, ein offenes Lächeln und trugen flotte blaue Blazer. Im Hintergrund waren ein strahlend blaues Meer und blendende Segelboote zu sehen. Offensichtlich ein fröhlicher Familienurlaub.
    Sie nahm sich als Erstes die Kommode vor. Ordentlich gefaltete Pullover und Poloshirts. Stapelweise Unterwäsche und T-Shirts, eine Sockenschublade, die einem Rekrutenausbilder Freudentränen in die Augen getrieben hätte. Der Schrank: kein Durcheinander, kein Versteck – einfach nur zwei Kleiderstangen, an denen Hemden,Jacketts und Hosen hingen. Die Schreibtischschubladen gaben ebenfalls wenig preis – sie sahen aus wie ein Werbefoto für Büromaterial. Verdammt! Da hatte sie sich solche Mühe gegeben, um hier reinzukommen, und was fand sie vor? Die reinste Kasernenstube.
    Blieb nur noch der Computer. Manny warf einen Blick auf die Uhr. Sie war seit exakt 2,5 Minuten weg. Jake hatte Anweisung, ihren überlangen Aufenthalt im Bad damit zu erklären, dass sie sich von den Tieren eine Verdauungsstörung eingefangen hatte, die mit gelegentlichen Übelkeitsattacken einherging. Blieb genug Zeit, den Computer hochzufahren und Pacos Dateien durchzusehen? Jetzt war sie so weit gekommen. Da konnte sie auch aufs Ganze gehen.
    Anders als Travis hatte Paco einen stinknormalen Desktopcomputer ohne irgendwelchen Schnickschnack. Manny bewegte die Maus, und der Bildschirm erwachte zum Leben. Gut, er war nur im Schlummermodus gewesen. Sie klickte auf das Icon zum Öffnen von Dateien. Passwortgeschützt? Nein, das Fenster öffnete sich prompt.
    Es gab Ordner für jedes Unterrichtsfach an der Schule, für Referate und für Anschreiben. Mannomann, der Junge war wirklich ein Ordnungsfanatiker. Sie hatte nicht die Zeit, jeden Ordner zu öffnen – sie musste einfach davon ausgehen, dass sie das waren, was sie zu sein vorgaben. Ganz am Ende der alphabetischen Ordnerliste war einer mit dem Namen »Verschiedenes«. Das klang etwas verheißungsvoller. Manny klickte das Symbol an, und es wurden drei Dokumente angezeigt, die alle nur mit Initialen benannt waren. Eines hieß »TAH«. Travis Andrew Heaton? Sie öffnete es.
    Es war ein einzeilig geschriebener Text, ohne Anrede oder Schlussformulierung wie bei einem Brief. War das vielleicht ein Briefentwurf oder irgendein Plan? Mannys Puls beschleunigte sich. Tatsächlich, im Verlauf des Textes tauchte immer wieder Travis’ Name auf. Leider Gottes war der Rest in Spanisch geschrieben. Ein paar Worte verstand sie: problema, ayuda, solamente.
    Irgendwas von einem Problem und benötigter Hilfe. Sie brauchte jemanden, der Spanisch konnte, oder wenigstens ein gutes Wörterbuch, um wirklich zu verstehen, was Paco da geschrieben hatte. Sie würde das Dokument ausdrucken und mitnehmen müssen.
    Manny ging zur Tür und lauschte. Sie konnte Jake und Señora Sandoval nicht hören, also würden die beiden wahrscheinlich auch den Drucker nicht hören. Ein Blick auf die Uhr: Fünf Minuten waren vergangen.
    Sie lief zurück zum Computer und gab den Befehl zu drucken. Der Drucker, ein billiges Tintenstrahlmodell, summte und begann zu arbeiten. Ein Hinweis erschien auf dem Bildschirm: »Seite 1 von 3 wird gedruckt.« Der Drucker gab ein befremdliches Verdauungsgeräusch von sich und zog mühsam ein Blatt in seinen Schlund. Langsam, ganz langsam tauchten die ersten Wörter auf. Manny stand nervös daneben, beschwor das Gerät lautlos, sich zu beeilen. Mach schon, mach schon. Die Sandovals hätten ihrem Kleinen ruhig mal einen Hochgeschwindigkeitslaserdrucker spendieren können.
    Endlich fiel die erste Seite in die Auffangschale. Manny schnappte sie sich und erwartete die nächste. Der Drucker verstummte.
    Verdammt, was denn jetzt? Sie setzte sich vor den Bildschirm und versuchte, den Fehler zu finden. Gerade als sie erneut das Drucker-Icon anklickte, sprang der Drucker unvermittelt wieder an, machte das Verdauungsgeräusch und zog ein neues Blatt ein. Jetzt hatte sie den Befehl gegeben, ein weiteres Exemplar des Dokuments auszudrucken, und sie würde eine Unendlichkeit warten müssen, bis das Ding sechs Seiten statt drei rausgerückt hatte. Hektisch überlegte sie, wie sie den zweiten Druckbefehl rechtzeitig löschen konnte.
    Während sie noch nach der Betriebssteuerung suchte, würgte der Drucker das zweite Blatt aus. Er stockte erneut, aber jetzt wusste Manny, dass er nur nach Atem rang. Sie wandte den Blick vom Drucker und machte sich wieder daran, den zweiten Druckbefehl zu löschen.

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