Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
Schandfleck der Familie sein. Dies traf ihn am allerschlimmsten. Auch wenn er ein sehr moderner Mensch war, so bedeutete ihm Ehre sehr viel.
Die Männer, die dem Bund angehörten, waren wenige. Sie alle kamen aus ehrbaren Familien, denn auch ihre Vorväter hatten dem Bund gedient. Ein stattliches Vermögen half ihnen, ihrer Bestimmung ehrenhaft nachzukommen.
Und keiner von ihnen hätte je einen Zweifel an Kaan geäußert. Er war über jeglichen Verdacht erhaben. Selbst jetzt , in diesem Moment, zweifelte niemand an seiner Führungsstärke.
Aber keiner von ihnen konnte seine Gedanken lesen , seine Ängste sehen, die seine Seele quälten.
„Sorge dich nicht. Es wird ihm nichts geschehen“, sagte Esther in liebevollen mitfühlenden Worten zu Kaan und berührte seine Schulter.
„Wir alle brauchen dich. Lass diesen Gedanken keinen Platz in deinem Herzen, sie sind falsch“, fuhr sie im Flüsterton fort. Kaan bewunderte Esther, sie verstand es, ihm Mut zu machen. Und sie hatte Recht gehabt. Jetzt musste er einen klaren Kopf bewahren. Daher orderte er an, dass sich sein Mann nicht zeigen lassen sollte, damit Ismail ungehindert passieren konnte. Er wartete vor der Haustür.
„Lass meinen Neffen gehen, dann lasse ich dich am Leben“, sagte Kaan auf Arabisch und schaute Ismail unbeirrt und doch voller Wut im Bauch an. Sein zweiter Blick fiel auf Ali. Ali konnte seinem Blick nicht standhalten. Kaan sah die Angst in Alis Augen. Er brauchte kein Hellseher sein, um die Situation zu durchschauen. Anscheinend hatte Ali zu hoch gepokert, sich mit den falschen Leuten eingelassen. Selbst schuld, dachte Kaan.
„Wo ist die alte Frau? Ich will die alte Frau“, forderte Ismail unbeirrt auf Arabisch.
„Hier ist keine alte Frau! Was für eine alte Frau sollte hier sein, du Hund? Lass meinen Neffen gehen“, fluchte Kaan und sein Blick war immer noch fest auf Ali gerichtet. Was hatte Ali diesem Mann, der wie ein Geistlicher gekleidet war, erzählt? Ein Mann, der Araber zu sein schien, jedenfalls sprach er akzentfrei. Aber dennoch trug er das Kreuz. Über die Umstände wollte er jetzt nicht nachdenken.
„Ich bin alleine hier!“, fügte Kaan in einem dominanten, ernsten Ton hinzu, der keine Widerrede duldete.
„Ich bin kein Narr. Ich zähle bis drei oder der Kleine stirbt“, sagte Ismail und hatte die Waffe auf Antara gerichtet.
„Ein Kind zu erschießen, welch mutiger Mann du bist! Sagt nicht dein Gott, dass die Kinder ihm das Heiligste sind. Wie kannst du dann eines seiner Heiligtümer töten?“, antwortete Kaan. Er wusste, dass es sehr gewagt war, was er vorhatte. Aber er wusste auch, dass er den Forderungen nicht nachgeben durfte. Er hatte vorher Esther und Rebecca eindringlich gebeten, nicht nach draußen zu kommen, egal was geschehe.
Er hatte beide in Jalals Zimmer gebracht und dort dann die Tür leise hinter ihnen abgeschlossen, ohne dass die beiden etwas davon bemerkten.
„Gott zu lieben heißt auch ein Kind für ihn zu opfern. Wie Abraham zur Ergebenheit seine Kinder opfern wollte, so werde auch ich jedes Kind dieser Welt opfern, um Gott meine Ergebenheit zu beweisen … narre mich nicht! Ich weiß, die alte Frau ist bei dir, du Hund. Also eins.“
„Ich weiß ja nicht mal, von welcher alten Frau du sprichst“, versuchte Kaan Ismail zu verunsichern. Aber er wusste, er brauchte Zeit, da Ismail überzeugt war, dass Esther bei ihm war.
„Halte mich nicht zum Narren, Araber.“
„Araber? Bist du nicht auch einer? Oder schämst du dich deiner Herkunft?“
„Ich will die Frau, jetzt! zwei“, fauchte Ismail und Kaan wusste, dass dieser Mann, dessen Namen er nicht kannte, nicht scherzte.
„Sie ist nicht hier.“
„Nicht hier. Nicht hier. Willst du mich für dumm verkaufen? Ich habe genug“, schimpfte er und holte zum Schuss aus.
„Nicht!“, hörte Kaan eine alte Frauenstimme hinter seinem Rücken, genau in dem Moment, wo Ismail den Kopf des Kleinen mit einer Kugel durchbohren wollte. Kaan sank in sich zusammen. Jetzt waren alle in Gefahr.
Aber ihm war auch bewusst, dass Esther das Leben des Kleinen gerettet hatte. Vorerst jedenfalls. Und wenn er ehrlich gewesen war, war er bereit gewesen, für das Leben Jalals und Esthers Opfer hinzunehmen, und wenn dieses Opfer das Kind von Ali war, dann sollte es so sein.
Ein wenig schämte er sich dafür. Aber er hatte keine andere Lösung parat gehabt. Er hatte vorgehabt in dem Moment, in dem Ismail abgedrückt hätte, auf ihn zuzurennen und zu versuchen, ihn
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