Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
ihn kaum ernst nehmen. Aber diesen Ismail, den sie für einen Handlanger hielt, der machte ihr Angst. Sie hatte in sein Herz gesehen und das, was sie sah, hatte ihr großen Kummer bereitet. Für wen er auch immer arbeitete, diesem jemand schien kein Opfer groß genug, um in den Besitz dieses Buches zu gelangen. Die Habgier musste sehr stark sein in diesem Menschen. Und dass diese Bedrohung im Vatikan saß, sagte ihr Gefühl. Der Vatikan war nach wie vor von korrupten Gewalten beherrscht und noch immer herrschte dort Lug und Trug. Daher war es wichtig, dass wenigstens der Papst ein Gegengewicht gegen diese dunklen Mächte bot.
Kapitel 75
Giovanni war wesentlich gefasster, als noch zur frühen Morgenstunde, als ihn die größten Zweifel und Versagensängste geplagt hatten. Es war richtig gewesen, diese Nummer zu wählen. Wenn nicht ihm, wem hätte er sonst vertrauen können? Ja, dieses Gespräch hatte ihm gut getan. Den Umweg über Köln gemacht zu haben, war eine sehr vernünftige Entscheidung gewesen, denn nun wusste er, was er zu tun hatte.
Nun hatte er die Antwort, die er schon längst kannte, aber vor der er große Angst hatte.
Dennoch saß die Enttäuschung über sein Versagen immer noch tief in Mark und Bein. Sein Heiliger Vater hatte ihm eine Verantwortung übertragen, weil er ihm vertraut hatte und er hatte dieses Vertrauen schändlich missbraucht.
All die Jahre über war nie etwas geschehen und mitunter hatte er die Ernsthaftigkeit seiner Mission in Gedanken hinterfragt. Und nun, nun hatte er die Quittung für seine Leichtfertigkeit. Warum war er in Jerusalem?
Nicht, um dort in einer kleinen Kirche das Wort Gottes zu predigen. Nein, um ein wertvolles Geheimnis zu beschützen, dessen Wichtigkeit er nun begriff. Nachdem es zu spät war.
Aber sein Bruder hatte ihm Mut zugesprochen. In seiner Verzweiflung hatte er genau das richtige getan. Er wollte seine Heiligkeit anrufen, und über das Unglück am Telefon berichten.
Doch dann in letzter Sekunde hatte er aufgelegt und für einen kurzen Augenblick überlegt. Er wollte kein Risiko eingehen, nicht seinetwegen, sondern seiner Heiligkeit wegen. Jeder Schock hätte den Paps töten können, und das hätte er sich nicht verziehen. Esther hatte er verloren, aber nicht auch noch den Papst. So viel Schmerz konnte kein Mensch auf seinen Schultern lasten.
Und so hatte er seinen Bruder angerufen, denn er brauchte jemanden, mit dem er sprechen konnte. Und so gab es nur diese eine Antwort. Sein Bruder, der Künstler, der Ungläubige.
Mit ihm konnte er immer über alles sprechen. Ihm vertraute er. Obwohl sie grundverschieden waren und Leben führten, die nicht unterschiedlicher sein konnten, war die enge Freundschaft nie gerissen.
Auf Luca konnte er sich immer verlassen. So rief er ihn an und sprach sein Herz frei. Luca bat ihn, zu ihm zu kommen.
Der Aufenthalt in Köln dauerte nicht lange. Luca riet ihm das, was auch sein Gefühl ihm schon längst ans Herz gelegt hatte: es dem Papst persönlich zu sagen und dann gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
Giovanni bedankte sich bei ihm und nahm die nächste Maschine nach Rom. Es hatte ihm gut getan, den Bruder nach so langer Zeit wieder getroffen zu haben. Die Seele erfreute sich an der Gewissheit, dass es da jemanden gab, der zu einem hielt.
Spät in der Nacht kam er im Vatikan an.
Er hatte schon von dem Schwächeanfall des Papstes gehört und fühlte sich noch mehr bestärkt darin, dass er das Richtige getan hatte, indem er ihm nicht die Nachricht am Telefon erzählt hatte. Seine Sorgen waren wieder da. Wie würde seine Heiligkeit diese Nachricht auffassen, ob er etwas ahnte?
Leise klopfte er an die Tür. Er wollte den Papst nicht wecken, falls dieser schlief. Vielleicht wünschte er sich gar, dass dies so war. Warum er nicht bis zum Morgen wartete? Die Antwort war einfach, zu sehr plagte ihn das schlechte Gewissen.
„Ja“, vernahm er leise.
Er betrat das Zimmer. Zu seiner Überraschung saß seine Heiligkeit auf dem Stuhl am Schreibtisch und nicht in seinem Bett.
Ihre Blicke trafen sich. Giovanni sah den Kummer in seinem Gesicht. Und ein Gefühl sagte ihm, dass er es schon wusste. Woher, war unwichtig, aber dieser Gesichtsausdruck war untrüglich. Giovanni kam sich sehr klein vor und sein ganzes inneres Ich war voller Scham und Schuldgefühle.
Es war schon eine Weile her, dass er seine Heiligkeit das letzte Mal gesehen hatte und Giovanni machte dieser Anblick großen Kummer, denn er verriet, dass es
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