Narren, Diebe und Vampire: Das Beste aus zehn Jahren Schweibenwelt-Kalendern
die Große Schule, einst das einzige Klassenzimmer der Gilde. Heute dient sie vor allem als Bankettsaal sowie für Hallensport, Versammlungen und Prüfungen. Die Große Schule ist das größte unveränderte Zimmer der Gilde. Ihre Balken sind kaum zu erreichen, doch die berühmtesten Ehemaligen haben dort ihre Namen eingeritzt.
Kurz vor der multikonfessionellen Kapelle führt eine kleine Tür in den Glockenturm mit der Inhumierungsglocke. Sie schlägt die Stunde, aber immer ein wenig zu spät, wie es einem der wichtigssten Bildungsinstitute von Ankh-Morpork gebührt. Sie schlägt auch, wenn ein Assassine einen Auftrag erfolgreich durchgeführt hat oder ein Ehemaliger ums Leben gekommen ist – das eine kann sehr eng mit dem anderen verknüpft sein.
Wir setzen den Weg fort und gelangen zum Kalkkorridor, der an Herrn Wilkinsons Arbeitszimmer vorbei zur Bibliothek führt, von der es heißt, sie sei die zweitgrößte in Ankh-Morpork – umfangreicher ist nur die Bibliothek der Unsichtbaren Universität. Doch wenn es um die unterschiedlichen Methoden geht, Leben zu beenden, so enthält unsere Bibliothek vermutlich eine größere Anzahl entsprechender Bücher als die der Universität.
Das Gildenhaus hat fünf Stockwerke, Keller, Mansarden und Dachboden eingeschlossen. Um alles zu erforschen, empfiehlt es sich, günstige Gelegenheiten abzuwarten. In vielen Teilen des Gebäudes dürfen sich keine Studenten aufhalten, aber wie Lord Witwenmacher sagen würde: »Wer sich immer an die Regeln hält, wird nicht zu einem großen Assassinen. Doch wer die Regeln missachtet und sich dabei erwischen lässt , wird ebenfalls nicht zu einem großen Assassinen.«
Jeder Student bekommt irgendwann einmal das Arbeitszimmer des Schulleiters zu sehen. Einige betreten es, um Tee zu trinken, mit Herrn Witwenmacher zu plaudern und automatisch die Mandeln zu meiden. Andere erwarten Strafe oder gute beziehungsweise schlechte Nachrichten. In den meisten Fällen sind die Studenten so nervös, dass sie den Einzelheiten des Raumes kaum Beachtung schenken. Das ist bedauerlich, denn er ist ein klassisches Beispiel für ein Arbeitszimmer der Gilde.
Die Wände sind mit Eichenholz vertäfelt, und ein dicker Teppich bedeckt den Boden. Das Zimmer dient auch als Tagungsraum für den Gildenrat – auf der einen Seite steht der lange Mahagonitisch des Rates. Darüber hinaus beinhaltet es die persönliche Bibliothek des Schulleiters sowie seine Werkbank. Und wer weiß, welche mysteriösen Substanzen in den vielen kleinen Schubladen des Arzneischranks lagern?
Vier dicke Säulen aus schwarzem Granit stützen die verzierte Decke; sie tragen die Namen berühmter Assassinen. Zwischen diesen Säulen steht Lord Witwenmachers Schreibtisch mit dem schmiedeeisernen Gestell für Ruten und Rohrstöcke. Es ist ein Relikt aus der guten alten Zeit. Inzwischen haben sich modernere Erziehungsmethoden durchgesetzt – wir glauben nicht mehr an so harmlose Dinge wie die Prügelstrafe.
Die Geschichte der Gilde
D er Beruf des Assassinen entstand in den bergigen Regionen von Klatsch. Aspiranten nahmen dort eine Droge namens Hascheesch , die in ausreichenden Mengen bewirkte, dass sie Hosen mit ausgestellten Beinen trugen und voller Hingabe ausgesprochen monotoner Musik lauschten.
Diese frühen »Assassinen« verschwanden in der Geschichte und erschienen später in der uns heute bekannten Form, vermutlich deshalb, weil sie keinen Nachschub mehr bekamen.
Gegründet wurde die Gilde von Sir Gyles und Lady de Murforte. Sir Gyles war ein Krieger während der Regierungszeit von König Cirone I., auch »der Unstete« genannt. Er zog häufig durch Klatsch, auf der Suche nach Ruhm und vor allem nach Gold. Während einer seiner Kreuzzüge gegen reiche Klatschianer erfuhr er von der Bruderschaft der Assassinen. Zu jener Zeit boten die Assassinen ihre Dienste gegen Bezahlung an und spielten bereits eine wichtige Rolle in der Innenpolitik des Komplezianischen Reiches, das damals einen großen Teil von Klatsch umfasste.1 Sir Gyles war vom Geschick, der Selbstsicherheit und Intelligenz sowie dem Geist der klatschianischen Assassinen so beeindruckt, dass er als weitsichtiger Mann beschloss, in seiner Heimatstadt Ankh-Morpork eine Schule für Assassinen zu gründen. Seine Worte, vom persönlichen Schriftführer festgehalten, lauteten: »Irgendwann müssen wir die Mistkerle vielleicht mit ihren eigenen Waffen schlagen.«
1 Der verwirrenden und manchmal recht widersprüchlichen Politik des
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