Narziss Und Goldmund
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ren. Auch meinen Meister Niklaus, den Bildschnitzer, konnte ich mir nicht tot vorstellen, ich zählte bestimmt darauf, ihn wiederzufinden und aufs neue bei ihm zu arbeiten Und doch war er tot, als ich kam.«
»Es ist rasch berichtet«, sagte Narziß »Abt Daniel ist schon vor acht Jahren gestorben, ohne Krankheit und Schmerzen. Ich bin nicht sein Nachfolger, ich bin erst seit einem Jahr Abt. Sein Nachfolger wurde Pater Martin, einst unser Schulvorsteher, er starb im vergangenen Jahr, nicht ganz siebzig Jahre alt. Und Pater Anselm ist auch nicht mehr da. Er hatte dich gern, er sprach noch oft von dir. In seiner letzten Zeit konnte er gar nicht mehr gehen, und das Liegen war ihm eine große Qual, er ist an der Wassersucht gestorben. Ja, und die Pest war auch bei uns, es sind viele gestorben. Sprechen wir nicht davon! Hast du noch mehr zu fragen?«
»Gewiß, sehr viel. Vor allem wie kommst du hierher in die Bischofsstadt und zum Statthalter?«
»Das ist eine lange Geschichte, und sie wäre dir langweilig, es handelt sich um Politik. Der Graf ist ein Günstling des Kaisers und in manchen Fragen sein Bevollmächtigter, und es ist zur Zeit zwischen dem Kaiser und unserem Orden mancherlei zu schlichten. Der Orden hat mich einer Abordnung zugewiesen, die mit dem Grafen zu verhan-deln hatte. Der Erfolg war gering.«
Er schwieg, und Goldmund fragte nicht weiter. Er
brauchte ja auch nicht zu erfahren, daß gestern abend, als Narziß beim Grafen um Goldmunds Leben bat, dies Leben mit einigen Konzessionen an den harten Grafen hatte bezahlt werden müssen.
Sie ritten, Goldmund fühlte sich bald müde und hielt sich mit Mühe im Sattel.
Nach einer langen Weile fragte Narziß: »Ist es denn wahr, daß du wegen Diebstahls festgenommen warst? Der 281
Graf behauptete, du hattest dich ins Schloß und in die inneren Gemächer geschlichen und hättest dort gestohlen.«
Goldmund lachte: »Nun, es hatte wirklich den Anschein, als sei ich ein Dieb. Ich hatte aber mit des Grafen Geliebten eine Zusammenkunft, ohne Zweifel hat er das auch
gewußt. Es wundert mich sehr, daß er mich doch laufen ließ.«
»Nun, er ließ mit sich reden.«
Sie konnten die geplante Tagesstrecke nicht bewältigen, Goldmund war zu sehr erschöpft, seine Hände konnten die Zügel nicht mehr halten. Sie nahmen in einem Dorf Quartier, er wurde zu Bett gebracht und fieberte ein wenig und blieb auch noch den nächsten Tag dort liegen. Dann aber konnte er weiterreiten. Und als in Bälde seine Hände wieder gesund waren, begann er das Reisen zu Pferde sehr zu genießen Wie lange war er nicht mehr geritten! Er lebte auf, er wurde jung und lebhaft, er ritt manche Strecke mit dem Reitknecht um die Wette und bestürmte in Stunden der Mitteilsamkeit seinen Freund Narziß mit hundert un-geduldigen Fragen. Gelassen und doch freudig ging Narziß darauf ein, er war wieder von Goldmund bezaubert, er liebte seine so heftigen, so kindlichen Fragen, die so voll unbegrenzten Vertrauens zu des Freundes Geist und Klugheit waren.
»Eine Frage, Narziß habt ihr auch einmal Juden verbrannt?«
»Juden verbrannt? Wie sollten wir? Es gibt ja bei uns keine Juden.«
»Richtig. Aber sage wärest du imstande, Juden zu verbrennen? Kannst du dir den Fall als möglich denken?«
»Nein, warum sollte ich es tun? Hältst du mich für einen Fanatiker?«
»Versteh mich, Narziß! Ich meine kannst du dir denken, daß du in irgendeinem Fall den Befehl zum Umbringen 282
von Juden geben würdest oder doch deine Einwilligung dazu? Es haben ja so viele Herzöge, Bürgermeister, Bischö-
fe und andere Obrigkeiten solche Befehle gegeben.«
»Ich würde einen Befehl dieser Art nicht geben. Dagegen ist der Fall wohl denkbar, daß ich eine solche Grau-samkeit mit ansehen und dulden müßte.«
»Du wurdest es also dulden?«
»Gewiß, wenn mir nicht die Macht gegeben wäre, es zu verhindern – Du hast wohl einmal eine Judenverbrennung gesehen, Goldmund?«
»Ach ja.«
»Nun, und hast du sie verhindert? – Nein! – Siehst du.«
Goldmund erzählte ausführlich die Geschichte
Rebekkas, er wurde dabei warm und leidenschaftlich.
»Und nun«, schloß er heftig, »was ist das für eine Welt, in der wir da leben müssen? Ist es nicht eine Hölle? Ist es nicht empörend und scheußlich?«
»Gewiß. Die Welt ist nicht anders.«
»So!« rief Goldmund böse »Und wie oft hast du mir frü-
her behauptet, die Welt sei göttlich, sie sei eine große Har-monie von Kreisen, in deren Mitte der
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