Narziss und Goldmund
Winter mit sich, lächelnd sah Goldmund ihm nach. Lange Zeit trieb er sich vor dem Schloß herum.
Noch immer war die Pfaffe ngesandtschaft da, hier und dort sah man in einem Fenster einen der geistlichen Herren stehen. Endlich gelang es ihm, sich ins Innere zu schleichen und die Zofe Berta zu finden. Wieder wurde er in der Kleiderkammer verborgen, bis Agnes erschien und ihn zärtlich in ihr Zimmer führte. Zärtlich empfing ihn ihr schönes Gesicht, zärtlich, aber gar nicht froh, sie war traurig, sie machte sich Sorgen, sie war ängstlich. Er mußte sich viel Mühe geben, sie ein wenig zu erheitern. Langsam gewann sie unter seinen Küssen und Liebesworten etwas Zuversicht.
»Du kannst so sehr lieb sein«, sagte sie dankbar »Du hast so tiefe Töne in deiner Kehle, mein Vogel, wenn du zärtlich bist und gurrst und schwatzest. Ich hab dich lieb, Goldmund. Wenn wir doch weit von hier wären! Es gefällt mir nicht mehr hier, es wird ja ohnehin bald zu Ende sein, der Graf ist abberufen, bald soll der dumme Bischof zurückkommen. Der Graf ist heut böse, die Pfaffen haben ihn geplagt. Ach du, daß er dich nicht zu sehen bekommt! Du würdest keine Stunde mehr leben. Es ist mir so bange um dich.«
In seiner Erinnerung stiegen halbverlorene Klänge aufhatte er nicht dies Lied schon vor Zeiten einmal gehört? So hatte einst Lydia zu ihm gesprochen, so liebend und angstvoll, so zärtlich-traurig. So war sie nachts in seine Kammer gekommen, voll Liebe und voll Angst, voll Sorgen, voll von schrecklichen Bildern der Furcht. Er hörte es gerne, das zärtlich-ängstliche Lied. Was wäre Liebe ohne Heimlichkeit? Was wäre Liebe ohne Gefahr?
Sanft zog er Agnes an sich, streichelte sie, hielt ihre Hand, summte ihr leise Werbungen ins Ohr, küßte ihre Augenbrauen. Es rührte und entzückte ihn, sie seinetwegen so angstvoll und besorgt zu finden. Dankbar empfing sie seine Liebkosungen, beinahe demütig, sie drängte sich voll Liebe an ihn, aber heiter wurde sie nicht.
Und plötzlich zuckte sie heftig zusammen, man hörte in der Nähe eine Tür zuschlagen, und rasche Schritte näherten sich dem Zimmer.
»Um Gottes willen, er ist es!« rief sie verzweifelt, »es ist der Graf. Schnell, durch die Kammer kannst du entkommen Schnell! Verrate mich nicht!«
Schon hatte sie ihn in die Kleiderkammer gedrängt, allein stand er und tappte zögernd im Finstern. Drüben hörte er den Grafen laut mit Agnes sprechen. Er tastete sich zwischen den Kleidern hindurch zur Ausgangstür, lautlos setzte er Fuß vor Fuß. Nun war er bei der Türe, die zum Korridor führte, und suchte sie leise zu öffnen Und in diesem Augenblick erst, als er die Tür von außen verschlossen fand, erschrak auch er, und sein Herz begann wild und schmerzhaf t zu schlagen. Es konnte ein un glücklicher Zufall sein, da ß jemand, seit er hier hereinge kommen war, diese Tür verschlossen hatte. Er glaubte aber nicht daran. Er war in eine Falle gegangen, er war verloren, irgendjemand mußte ihn gesehen haben, als er hier hereinschlich. Es wurde ihn den Hals kosten. Zitternd stand er im Finstern, und sogleich fiel Agnesens Abschiedswort ihm ein »Verrate mich nicht!« Nein, er würde sie nicht verraten. Sein Herz hämmerte, aber der Entschluß machte ihn fest, trotzig biß er die Zähne zusammen.
Dies war alles in wenigen Augenblicken geschehen. Jetzt ging jenseits die Tür, und aus Agnesens Zimmer trat der Graf herein, mit einem Leuchter in der Linken und dem gezogenen Schwert in der Rechten. Im selben Augenblick raffte Goldmund mit hastigem Griff einige von den rings um ihn hängenden Kleidern und Mänteln zusammen und nahm sie über den Arm. Man sollte ihn für einen Dieb halten, vielleicht war dies ein Ausweg.
Der Graf hatte ihn sofort gesehen. Langsam kam er heran.
»Wer ist man? Was tut man hier? Antwort, oder ich stoße zu.«
»Verzeihet«, flüsterte Goldmund, »ich bin ein armer Mann, und Ihr seid so reich! Ich gebe alles zurück, Herr, was ich genommen habe, seht!«
Und er legte die Mäntel an den Boden.
»So, also gestohlen hast du! Es war nicht klug von dir, für einen alten Mantel dein Leben zu wagen. Bist du ein Stadtbürger?«
»Nein, Herr, ich bin heimatlos. Ich bin ein armer Mann, Ihr werdet Nachsicht haben –«
»Hör auf. Ich möchte wohl wissen, ob du am Ende so frech warst, die gnädige Frau belästigen zu wollen. Aber da du ohnehin gehängt wirs t, brauchen wir das nicht zu un tersuchen Der Diebstahl genügt.«
Er klopfte heftig gegen die
Weitere Kostenlose Bücher