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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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um ihren Nacken. Sie führte ihn durch die Tür, in ihr Schlafgemach, das war h och und hell von Kerzen erleuch tet. Auf einem Tische stand eine Mahlzeit gerüstet, sie setzten sich, sorglich legte sie ihm Brot und Butter vor und etwas Fleisch und schenk te ihm weißen Wein in ein schö nes bläuliches Glas. Sie aßen, sie tranken beide aus demselben bläulichen Kelch, ihre Hände spielten probend miteinander.
    »Wo kommst du denn hergeflogen«, fragte sie ihn,
    »mein schöner Vogel? Bist du ein Krieger, oder ein Spielmann, oder bist du bloß ein armer Landfahrer?«
    »Ich bin alles, was du willst«, lachte er leise, »ich bin ganz der Deine. Ich bin ein Spielmann, wenn du willst, und du bist meine süße Laute, und wenn ich die Finger um deinen Hals lege und auf dir spiele, hören wir die Engel singen. Komm, Herz, ich bin nicht gekommen, um deine guten Kuchen zu essen und deinen weißen Wein zu trinken, ich bin nur deinetwegen gekommen.«
    Leise zog er ihr den weißen Pelz vom Halse und schmeichelte ihr die Kleider vom Leibe. Mochten draußen die Höflinge und Pfaffen ihre Beratungen abhalten, mochten die Diener schleichen und der dünne Sichelmond vollends hinter die Bäume hinabschwimmen, die Liebenden wußten nichts davon. Ihnen blühte das Paradies, zueinander gezogen und meinander verschlungen verloren sie sich in seine duftende Nacht, sahen seine weißen Blumengeheimnisse dämmern, pflückten mit zärtlichen und dankbaren Händen seine ersehnten Früchte. Noch nie hatte der Spielmann auf einer solchen Laute gespielt, noch nie hatte die Laute unter so starken und kundigen Fingern geklungen.
    »Goldmund«, flüsterte sie ihm glühend ins Ohr, »oh, was bist du für ein Zauberer! Von dir, du süßer Goldfisch, möchte ich ein Kind haben. Und noch lieber möchte ich an dir sterben. Trink mich aus, Geliebter, schmilz mich, töte mich!«
    Tief in seiner Kehle summte ein Ton des Glückes, als er die Härte in ihren kühlen Augen hinschmelzen und schwach werden sah. Wie ein zärtliches Zittern und Sterben flog der Schauer in der Tiefe ihrer Augen vorüber, erlöschend wie der Silberschauder auf der Haut eines sterbenden Fisches, mattgolden wie das Aufblinken jener Zauberschimmer tief im Flusse. Alles nur irgend dem Menschen erlebbare Gluck schien ihm in diesen Augenblick zusammengeronnen.
    Gleich darauf, während sie mit geschlossenen Augen bebend lag, erhob er sich leise und schlüpfte in seine Kleider. Mit einem Seufzer sagte er ihr ins Ohr »Mein schöner Schatz, ich verlasse dich Ich mag nicht sterben, ich mag nicht von diesem Grafen totgeschlagen werden. Erst will ich noch einmal dich und mich so selig machen, wie wir es heut gewesen sind. Noch einmal, noch viele Male!«
    Schweigend blieb sie liegen, bis er angekleidet war. Nun schlug er sachte die Decke über sie und küßte ihre Augen.
    »Goldmund«, sagte sie, »oh, daß du fortgehen mußt!
    Komm morgen wieder! Wenn Gefahr ist, dann lasse ich dich warnen. Komm wieder, komm morgen wieder!«
    Sie zog an einem Glockenstrang. In der Tür zur Kleiderkammer empfing ihn die Zofe und brachte ihn aus dem Schloß. Gern hätte er ihr ein Goldstuck gegeben, er schäm te sich einen Augenblick seiner Armut.
    Gegen Mitternacht stand er auf dem Fischmarkt und sah am Hause empor. Es war spät, niemand mehr würde wach sein, wahrscheinlich wurde er die Nacht draußen bleiben müssen. Zu seinem Erstaunen fand er die Haustür offen. Leise schlich er hinein und schloß hinter sich das Tor. Der Weg zu seiner Kammer führte durch die Küche.
    Dort war Licht. Bei einem winzigen Öllampchen saß Marie am Küchentisch. Eben war sie eingenickt, nachdem sie zwei, drei Stunden gewartet hatte. Sie erschrak und sprang auf, als er eintrat.
    »Oh«, sagte er, »Marie, bist denn du noch auf?«
    »Ich bin auf«, sagte sie »Sonst hättest du das Haus verschlossen gefunden.«
    »Es tut mir leid, Marie, daß du gewartet hast. Es ist so spät geworden. Sei mir nicht böse.«
    »Ich bin dir nie böse, Goldmund. Ich bin nur ein wenig traurig.«
    »Traurig sollst du nicht sein Warum denn traurig?«
    »Ach, Goldmund, ich möchte wohl, daß ich gesund und schön und stark wäre. Dann müßtest du nicht in der Nacht in fremde Hauser gehen und andere Frauen liebhaben.
    Dann würdest du wohl auch einmal bei mir bleiben und mit mir ein wenig lieb sein.«
    Keine Hoffnung klang in ihrer sanften Stimme und keine Bitterkeit, nur Trauer. Verlegen stand er bei ihr, sie tat ihm so leid, er wußte nichts zu

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