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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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lachten und rülpsten einander an, machten Lärm, machten Witze, zeterten wegen zwei Pfennigen, und allen war es wohl, sie waren alle in Ordnung und höchlich mit sich und der Welt zufrieden.
    Schweine waren sie, ach viel schlimmer und wüster als Schweine! Nun ja, er selber war oft genug mitten unter ihnen gewesen, hatte sich froh unter ihre sgleichen ge fühlt, war den Mädchen nachgetrieben, hatte vom Teller lachend und ohne Grausen gebackene Fische gegessen.
    Aber immer wieder hatte ihn, oft ganz plötzlich wie durch Zauber, die Freude und Ruhe verlassen, immer wieder war dieser fette feiste Wahn von ihm abgefallen, diese Selbstzufriedenheit, Wichtigkeit und faule Seelenruhe, und es hatte ihn hinweggerissen, in die Einsamkeit und ins Grübeln, auf die Wanderschaft, zur Betrachtung des Leides, des Todes, der Zweifelhaftigkeit alles Treibens, zum Starren in den Abgrund. Manchmal war ihm dann aus der hoffnungslosen Hingabe an den Anblick des Sinnlosen und Furchtbaren plötzlich eine Freude aufgeblüht, eine heftige Verliebtheit, die Lust, ein schönes Lied zu singen oder zu zeichnen, oder im Riechen an einer Blume, im Spielen mit einer Katze war ihm das kindliche Einverstandensein mit dem Leben wieder zurückgekehrt.
    Auch jetzt würde es wiederkehren, morgen oder übermorgen, und die Welt würde wieder gut und vortrefflich sein. Bis eben das andere wiederkam, die Traurigkeit, das Grübeln, die hoffnungslose beklemmende Liebe zu den sterbenden Fischen, den welkenden Blumen, der Schrecken über das stumpfe sauische Hinleben und Gaffen und Nichtsehen der Menschen Immer in solchen Zeiten mußte er mit quälender Neugierde, mit tiefer Beklem mung des fahrenden Schülers Viktor denken, dem er damals sein Messer zwischen die Rippen gestoßen hatte und den er voller Blut auf den Tannenzweigen hatte liegenlassen, und er muß te dann darüber sinnen und grü beln, was jetzt eigentlich aus diesem Viktor geworden sei, ob die Tiere ihn ganz und gar gefressen, ob irgend etwas von ihm übriggeblieben sei. Ja, übrig waren wohl die Knochen geblieben und vielleicht ein paar Hände voll Haare.
    Und die Knochen – was wurde aus denen? Wie lange wohl dauerte es, Jahrzehnte oder bloß Jahre, bis auch sie ihre Form verloren hatten und Erde geworden waren?
    Ach, heute, während er mit Mitleid den Fischen und mit Ekel den Marktleuten zusah, das Herz voll ängstlicher Schwermut und bitterer Feindseligkeit gegen die Welt und gegen sich selber, mußte er an Viktor denken. Vielleicht war er gefunden und begraben worden? Und wenn das geschehen war – war dann jetzt schon alles Fleisch von seinen Knochen gefallen, war alles verfault, hatten alles die Würmer gefressen? Waren noch Haare auf seinem Schädel und Brauen über seinen Augenhöhlen? Und von Viktors Leben, das doch von Abenteuern und Geschichten und vom phantastischen Spiel seiner wunderlichen Späße und Schnurren erfüllt gewesen war – was war davon übriggeblieben? Lebte außer den paar losen Erinnerungen, die sein Mörder an ihn bewahrte, noch irgend etwas von diesem Menschendasein fort, das doch keines von den ganz gewöhnlichen gewesen war? Gab es noch einen Viktor in den Träumen der Frauen, die er einst geliebt hatte? Ach, es war wohl alles dahin und zerronnen. Und so erging es allen und allem, es blühte schnell und welkte schnell hinweg, nachher fiel der Schnee drüber. Was hatte alles in ihm selbst geblüht, als er vor einigen Jahren in diese Stadt gekommen war, voll Begierde nach der Kunst, voll banger tiefer Verehrung für den Meister Niklaus! War etwas davon am Leben geblieben? Nichts, nichts mehr als von der langen Schnapphahngestalt des armen Viktor. Hatte jemand ihm damals gesagt, es werde ein Tag kommen, da würde Niklaus ihn als seinesglei chen anerkennen und bei der Zunft für ihn den Meisterbrief verlangen, er hatte geglaubt, alles Glück der Welt in Händen zu halten. Und jetzt war es nichts als eine abgeblühte Blume, etwas Dürres und Freudloses.
    Als er dies dachte, hatte Goldmund plötzlich ein Gesicht.
    Es war nur ein Augenblick, ein zuckendes Aufblitzen: er sah das Gesicht der Urmutter, über den Abgrund des Lebens geneigt, mit einem verlorenen Lächeln schön und grausig blicken, sah es lächeln zu den Geburten, zu den Toden, zu den Blumen, zu den raschelnden Herbstblättern, lächeln zur Kunst, lächeln zur Verwesung.
    Alles galt ihr gleich, der Urmutter, über allem hing wie Mond ihr unheimliches Lächeln, ihr war der schwermütig sinnende Goldmund so

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