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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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lieb wie der auf dem Pflaster des Fischmarktes sterbende Karpfen, die stolze kühle Jungfer Lisbeth so lieb wie die im Wald verstreuten Knochen jenes Viktor, der ihm einst so gern seinen Dukaten gestohlen hätte.
    Schon war der Blitz wieder erloschen, das geheimnisvolle Muttergesicht verschwunden. Aber tief zuckte sein fahles Leuchten in Goldmunds Seele fort, eine Woge von Leben, von Schmerz, von würgender Sehnsucht lief aufwühlend durch sein Herz. Nein, nein, er wollte das Glück und die Sattheit der andern nicht, der Fischkäufer, der Bürger, der geschäftigen Leute. Mochte der Teufel sie holen. Ah, dieses aufzuckende bleiche Gesicht, dieser volle reife spätsommerliche Mund, über dessen schwere Lippen dies namenlose Todeslächeln wie Wind und Mondschein hingelaufen war!
    Goldmund ging zum Hause des Meisters, es war gegen Mittag, er wartete, bis er hörte, daß Niklaus drinnen seine Arbeit verließ und die Hände wusch. Da trat er zu ihm herein.
    »Lasset mich ein paar Worte zu Euch sagen, Meister, es kann geschehen, während Ihr Eure Hände waschet und den Rock anzieht Ich ve rdurste nach einem Mundvoll Wahrheit, ich möchte Euch etwas sagen, was ich vielleicht gerade jetzt sagen kann und dann nicht wieder. Es steht so mit mir, daß ich mit einem Menschen sprechen muß, und Ihr seid der einzige, der es vielleicht verstehen kann. Ich spreche nicht zu dem Mann, der eine berühmte Werkstatt hat und der von Städten und Klöstern alle die ehrenvollen Aufträge empfängt und zwei Gehilfen und ein schönes reiches Haus hat Ich spreche zu dem Meister, der die Mutter Gottes im Kloster draußen gemacht hat, das schönste Bild, das ich kenne. Diesen Mann habe ich geliebt und verehrt, seinesgleichen zu werden schien mir das höchste Ziel auf Erden. Ich habe jetzt eine Figur gemacht, den Johannes, und konnte ihn nicht so vollkommen machen, wie Eure Mutter Gottes ist, aber er ist nun eben so, wie er ist. Eine andere Figur habe ich nicht zu machen, es ist keine vorhanden, die mich verlangt und sie zu machen zwingt. Vielmehr, es ist eine vorhanden, ein fernes heiliges Bild, das ich einmal werde machen müssen, das ich aber heute noch nicht machen kann. Um es machen zu können, muß ich noch viel mehr erfahren und erleben. Vielleicht kann ich es in drei, vier Jahren machen, oder in zehn Jahren oder später, oder auch niemals. Bis dahin aber, Meister, will ich nicht Handwerk treiben und Figuren lackieren und Kanzeln schnitzen und ein Handwerkerleben in der Werkstatt führen und Geld verdienen und so werden, wie alle Handwerker sind, nein, das will ich nicht, sondern ich will leben und wandern, Sommer und Winter spüren, die Welt ansehen und ihre Schönheit und ihr Grauen kosten. Ich will Hunger und Durst erleiden und will das alles wieder vergessen und loswerden, was ich hier bei Euch gelebt und gelernt habe Ich möchte wohl einmal etwas so Schönes und tief ans Herz Rührendes machen, wie Eure Mutter Gottes ist – aber so werden wie Ihr und so leben, wie Ihr lebet, das will ich nicht.«
    Der Meister hatte seine Hände gewaschen und getrocknet, jetzt wendete er sich um und sah Goldmund an. Sein Gesicht war streng, aber nicht böse.
    »Du hast gesprochen«, sagte er, »und ich habe gehört.
    Laß es nun gut sein. Ich erwarte dich nicht zur Arbeit, obwohl viel zu tun ist. Ich betrachte dich nicht als Gehilfen, du brauchst Freiheit Ich m öchte dies und jenes mit dir be sprechen, lieber Goldmund, nicht jetzt, in einigen Tagen, du magst dir indessen die Zeit nach Belieben vertreiben.
    Sieh, ich bin viel älter als du und habe dies und jenes erfahren. Ich denke anders als du, aber ich verstehe dich und das, was du meinst. In ein paar Tagen werde ich dich rufen lassen. Wir werden über deine Zukunft sprechen, ich habe allerlei Pläne. Bis dahin habe Geduld! Ich weiß gut genug, wie es ist, wenn man ein Werk fertiggebracht hat, das einem am Herzen lag, ich ke nne diese Leere. Sie geht vorü ber, glaube mir.«
    Unbefriedigt lief Goldmund weg Der Meister meinte es gut mit ihm, aber was konnte er ihm helfen?
    Am Fluß kannte er eine Stelle, dort war das Wasser nicht tief und strömte über e inen Grund voll Gerümpel und Ab fall, aus den Häusern der Fischervorstadt wurde dort allerlei Kehricht in den Fluß geworfen. Dahin ging er, setzte sich auf die Ufermauer und blickte ins Wasser hinab. Wasser liebte er sehr, jedes Wasser zog ihn an Und wenn man von hier aus durch das strömende, kristallfädige Wasser hinabschaute auf den dunklen

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