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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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unbekannt war ihnen Verzweiflung, Unordnung und Auflehnung. Mochte die Seele hinter diesen edlen Zügen froh oder traurig sein, sie war rein gestimmt, sie litt keinen Mißklang.
    Goldmund stand und betrachtete sein Werk. Als Andacht vor dem Denkmal seiner ersten Jugend und Freundschaft begann seine Betrachtung, aber sie endet e mit ei nem Sturm von Sorgen und schweren Gedanken. Hier stand nun sein Werk, und der schöne Jünger würde bleiben, und sein zartes Blühen würde nie ein Ende nehmen.
    Er aber, der es gemacht hatte, mußte jetzt von seinem Werk Abschied nehmen, schon morgen gehörte es nicht mehr ihm, wartete nicht meh r auf seine Hände, wuchs und er blühte nicht mehr unter ihnen, war ihm nicht mehr Zuflucht, Trost und Sinn des Lebens. Leer blieb er zurück.
    Und, so schien ihm, es wäre am besten, heute nicht bloß von diesem Johannes Abschied zu nehmen, sondern auch gleich vom Meister, von der Stadt und von der Kunst. Er hatte hier nichts mehr zu tun, es waren keine Bilder in seiner Seele, die er hätte gestalten können. Jenes ersehnte Bild der Bilder, die Gestalt der Menschenmutter, war ihm noch nicht erreichbar, noch lange nicht. Sollte er jetzt wieder Engelsfigürchen polieren und Ornamente schnitzen?
    Er riß sich los und ging in des Meisters Werkstatt hinü ber. Leise trat er ein und blieb bei der Tür stehen, bis Niklaus ihn bemerkte und anrief.
    »Was ist, Goldmund?«
    »Meine Figur ist fertig. Vielleicht kommet Ihr, eh Ihr zu Tische geht, einmal hinüber und seht sie an.«
    »Gerne komme ich, gleich jetzt.«
    Zusammen gingen sie hinüber und ließen die Tür offenstehen, daß es heller sei. Niklaus hatte seit längerer Weile die Figur nicht mehr gesehen und Goldmund bei der Arbeit ungestört gelassen. Jetzt betrachtete er das Werk mit schweigender Aufmerksamkeit, sein verschlossenes Gesicht wurde schön und hell, Goldmund sah seine strengen blauen Augen froh werden.
    »Es ist gut«, sagte der Meister »Es ist sehr gut. Es ist dein Gesellenstück, Goldmund, du hast jetzt ausgelernt. Ich werde deine Figur denen von der Zunft zeigen und werde verlangen, daß sie dir dafür den Meisterbrief geben, du hast ihn verdient.«
    Goldmund legte auf die Zunft wenig Wert, aber er wußte, wieviel Anerkennung die Worte des Meisters bedeuteten, und freute sich.
    Indem Niklaus nochmals langsam rund um die Figur des Johannes ging, sagte er mit einem Seufzer: »Diese Gestalt ist voll von Frömmigkeit und Klarheit, sie ist ernst, aber voll Glück und Frieden. Man sollte meinen, es habe sie ein Mensch gemacht, in dessen Herzen es sehr hell und heiter ist.«
    Goldmund lächelte.
    »Ihr wißt, daß ich in di eser Figur nicht mich selber ab gebildet habe, sondern meinen liebsten Freund. Er ist es, der die Klarheit und den Frieden in das Bild gebracht hat, nicht ich. Ich war es ja eigentlich nicht, der das Bild gemacht hat, sondern er hat es mir in die Seele gegeben.«
    »So mag es sein«, sagte Niklaus. »Es ist ein Geheimnis, auf welche Art solch ein Bild entsteht. Ich bin nicht eben demütig, aber ich muß sagen ich habe viele Werke gemacht, die weit hinter deinem zurückbleiben, nicht an Kunst und Sorgfalt, aber an Wahrheit. Nun, du weißt wohl selbst, man kann ein solches Werk nicht wiederholen. Es ist ein Geheimnis.«
    »Ja«, sagte Goldmund, »als die Figur fertig wurde und ich sie ansah, dachte ich mir: etwas solches kannst du nicht wieder machen. Und darum glaube ich, Meister, ich werde mich in Bälde wieder auf die Wanderschaft machen.«
    Verwundert und unwillig blickte Niklaus ihn an, seine Augen waren wieder streng geworden.
    »Wir werden darüber noch sprechen. Für dich sollte die Arbeit nun erst recht beginnen, es ist wahrlich jetzt nicht der Augenblick, um davonzul aufen. Aber für heut machst du Feierabend, und zu Mittag bist du mein Gast.«
    Um Mittag trat Goldmund gekämmt und gewaschen im Sonntagskleide an. Diesmal wußte er, wieviel es bedeute und welch seltene Gunst es sei, vom Meister zu Tisch geladen zu werden. Als er die Treppe zu der mit Figuren überfüllten Diele hinanstieg, war dennoch sein Herz lange nicht so voll. Ehrfurcht und banger Freude wie jenes andere Mal, da er mit klopfendem Herzen in diese schönen stillen Räume getreten war.
    Auch Lisbeth war geputzt und trug eine Kette mit Steinen um den Hals, und zu Tische gab es außer dem Karpfen und Wein noch eine Überraschung: der Meister schenkte ihm einen ledernen Geldsäckel, in dem waren zwei Goldstücke, Goldmunds Lohn für die

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