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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Miranskis einen großen Kummer und wollten nicht länger in Mutorej leben …«
    »Kummer? Wieso?« fragte Tassburg langsam.
    »Ihre Tochter, das einzige Kindchen, lief ihnen weg! Natalia Nikolajewna hieß sie. Sie war plötzlich verschwunden und hinterließ einen Zettel, auf dem stand: Ich will nicht mehr leben! – Das hat die Eltern tief getroffen. Sie haben tagelang geweint und dann die Stelle im Hüttenwerk von Krasnojarsk angenommen. Wir hatten die Suchanzeige des Werkes am Schwarzen Brett angeschlagen, und neun Familien hatten sich beworben … Man hat die Familie dann mit einem Transportflugzeug abgeholt.« Der Leiter der Personalabteilung nahm die Karteikarte aus Tassburgs Hand zurück und legte sie auf den Tisch. »Das sind so kleine Schicksale, die auch bei uns passieren«, sagte er dabei. »Da will ein junger Mensch nicht mehr leben – warum, das weiß keiner! Geht weg, schreibt einen Zettel und taucht nie wieder auf. Ist vielleicht schon längst weggeschwemmt in den Jenessei oder liegt in der Tiefe des Flusses, festgeklemmt zwischen den Steinen. Ja, so ist das!«
    »Hat man nach dieser Natalia gesucht?«
    »Nein! Warum auch? Wenn sich hier einer umbringen will, kann er es so gründlich tun, daß alles Suchen vergebens ist. Wo wollen Sie suchen, Genosse? Wo anfangen? Nicht einmal Überreste werden Sie finden! Sie wissen doch, daß es hier noch Wolfsrudel gibt …« Der Personalbüroleiter blickte Tassburg sinnend an. »Warum haben Sie nach den Miranskis gefragt, Michail Sofronowitsch?«
    »Miranski muß auch noch Bewerbungen geschrieben haben. Eine ist in Omsk bei der Geologischen Forschungszentrale gelandet und mir per Funk durchgegeben worden. Ich wollte mir diesen Miranski einmal ansehen …«
    »Zu spät, Genosse Tassburg!« Der Personalbüroleiter nahm es ihm ab – Tassburg atmete auf. Er war nicht auf diese Frage vorbereitet gewesen und hatte doch die Antwort so glatt dahergesagt, daß sie glaubhaft klingen mußte. »Miranski wäre ein guter Mann für Sie gewesen. Aber was hätten Sie mit der Frau gemacht?«
    »Vielleicht in Omsk in der Kantine? Wer weiß!« Tassburg winkte ab. »Die Sache ist ja nun erledigt. In Krasnojarsk werden die Miranskis wieder Fuß gefaßt haben. Ist der Tod der Tochter eigentlich gemeldet worden?«
    »Sie meinen …«
    »Ist der Tod dieser – wie hieß sie noch …?«
    »Ach so, Natalia!«
    »Ja, dieser Natalia. Ist ihr Tod eingetragen? Ist sie amtlich tot?«
    »Natürlich! Der Abschiedszettel, ihr Verschwinden, jetzt der frühe Wintereinbruch, den keine Frau in Sommerkleidern in der Taiga überleben kann – da muß man einen Strich durch den Namen machen! Genau wie bei Kassugai …«
    »Ich habe von dem Fall in der Sowchose gehört. Genosse Slumbek hat mir alles genau erzählt.«
    »Bei Kassugai kommt nur ein Mord in Frage!« sagte der Personalbüroleiter ernst. »Das war eine glatte Sauerei …«
    »Und ein Zusammenhang zwischen dieser Natalia und Kassugai?« fragte Tassburg vorsichtig.
    »Unmöglich!«
    Es war ein guter Nachmittag für Tassburg. Fast fröhlich verabschiedete er sich von dem Personalbüroleiter und ließ sich wieder zur Sowchose fahren, wo man ihm ein Zimmer für die Nacht zur Verfügung gestellt hatte.
    In Mutorej weiß man nichts, dachte Michail. Natalias Eltern haben geschwiegen, und sie waren so geistesgegenwärtig, die Sache mit dem Selbstmord zu erfinden. Um alle Spuren für immer zu verwischen, sind sie nach Krasnojarsk gezogen. Welch ein Opfer! Welch eine Belastung ihrer Herzen! Sie sind weggezogen mit der Gewißheit, nie mehr von ihrer Tochter zu hören, von ihrer einzigen Tochter! Sie haben den gelogenen Tod zu einem wirklichen Tod gemacht …
    Wer kennt sich in den Seelen der Menschen aus?
    Am nächsten Morgen flog Tassburg nach Satowka zurück.
    Noch während der große Hubschrauber über dem Dorf kreiste und wieder auf dem Feld des stolzgeschwellten Bauern Tschimnoski landete, rannte Tigran Rassulowitsch, eingehüllt in einen bodenlangen Wolfspelz, zum Lager des Geologentrupps. Es hielt ihn nicht länger im Haus, er platzte vor Neugier.
    »Na, was ist, was ist?« fragte er, als er endlich allein mit Tassburg war. Sie saßen in dem durch einen Eisenofen überheizten Verwaltungszelt. »Haben Sie den alten Miranski an die Wand geschmettert und die Rabenmutter mit dem Kopf in heiße Suppe getaucht? Ha! Ich hätte es getan! Ich bin ein impulsiver Mensch!«
    »Natalias Eltern sind nicht mehr in Mutorej«, antwortete Tassburg müde. Er hatte

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