Natur
unerschöpfliches Thema der Kunst. Sie wird nicht lediglich abgebildet. Der Landschaftsmaler führt eine idealisierte Natur vor, in der Mensch und Natur in Harmonie leben, oder der Künstler zeigt eineandere unbekannte Natur, oder er verwendet die Natur als Symbol und verleiht ihr einen metaphysisch-transzendenten Charakter 3 .
Abbildung 1-7: Die fünf häufigsten Nennungen zum Wort «Natur» in Prozent der Befragten nach Ländern (Krömker, 2004, S. 185f., eigene Grafik)
Wie das Idealbild von der Natur aussieht, hängt von individuellen Einstellungen und Interessen ab. Hunziker (1995) hat vier Idealbilder beschrieben, wobei er den Zusammenhang zwischen der Einstellung zur Natur, ihrer Funktion für die betreffende Person und dem Naturbild aufgezeigt hat (vgl. Tabelle 1-1 , S. 22).
Für die Traditionalisten ist die ideale Landschaft einem kulturellen Erbe vergleichbar, das aus historischen Gründen erhalten werden sollte. Das Idealbild ist eine Natur, die so bleibt wie sie schon immer war 4 - als Idealbild ist sie ein Bestandteil der Kultur. Ebenfalls am Erhalt der Natur interessiert sind die Naturschützer, doch im Unterschied zu den Traditionalisten geht es ihnen um das natürliche Erbe, das es zu bewahren gilt. Für sieist die Landschaft vor allem Naturreservat. Bedrohte Arten müssen geschützt werden, die Artenvielfalt darf nicht verloren gehen. Das Idealbild der ökonomisch denkenden, wirtschaftlich orientierten Naturnutzer ist dagegen eine Natur, die Gewinne beschert. Für diese Gruppe ist die ideale Landschaft ein fruchtbarer Boden, der hohe Erträge bringt, oder eine besondere Landschaft, die Touristen anzieht. Ein viertes Idealbild ist eine Natur, die eine exzeptionelle Lebensqualität bietet, die das Anderswo repräsentiert, die Welt, in der man, nicht abgelenkt durch die alltäglichen Anforderungen und Ärgernisse, «zu sich selbst» finden kann.
Tabelle 1-1: Idealbild und der Natur zugeschriebene Funktion (nach Hunziker, 1995, S. 405)
Natur als Gegensatz zur Kultur
Sachverhalte können definiert werden, indem man feststellt, welche Eigenschaften sie nicht besitzen. Die Gegenüberstellung Natur - Kultur ist hier nahe liegend. Hartig & Evans (1993) halten die Kontrastierung von «natürlich» und «gebaut» für den Grundstein, der die umweltpsychologische Theorienbildung angeregt habe.
Kultur ist die von Menschen geschaffene Welt, Natur ist all das, was nicht Kultur ist, was nicht von Menschen stammt und was ohne sie existieren würde. Ein sichtbares kulturelles Produkt ist die gebaute Umwelt, mit der die Menschen die Erde für sich bewohnbar machen. Der Philosoph Heidegger war der Ansicht, dass der Mensch wohnt, wo immer er sich befindet, und dass Wohnen die Art und Weise ist, wie Menschen auf der Erde sind 5 . Die Anwesenheit von Menschen lässt Kultur entstehen und bringt unberührte Natur zum Verschwinden.
Durch Hervorhebung bestimmter formaler Merkmale lässt sich der Kontrast noch verstärken. Solche akzentuierenden Merkmale sind Eckigkeit und Präzision. Typisch für natürliche Umwelten sind das Fehlen geometrisch genauer rechteckiger Formen und unregelmäßige und unscharfe Übergänge zwischen verschiedenen Elementen (Wohlwill, 1983). Ebenso zeichnen sich natürliche Oberflächen und Texturen durch Unregelmäßigkeiten aus. Natürliche Formen sind weich, abgerundet und nicht klar abgegrenzt (Sebba, 1991). Gebaute Umwelten haben meistens Ecken, sie sind wie mit dem Lineal gezogen. Gerade diese Unschärfe, das Ineinanderübergehen und Ineinanderfließen, hat Künstler inspiriert.
Ein Beispiel ist das Bild «Skagen-Südstrand» des Malers Oskar Herschend (1853-1891), auf dem Land, Himmel und Meer in der Ferne zu einer diffusen Ganzheit zusammen fließen (vgl. Abbildung 1-8 ).
Allianz von Natur und Kultur
Umweltmerkmale wie unklare Konturen und Unregelmäßigkeiten sind indessen längst kein spezifisches Merkmal natürlicher Umwelten mehr, sondern inzwischen auch in der postmodernen zeitgenössischen Architektur zu finden. Manche Bauwerke sind mit voller Absicht nicht klar konturiert, regelmäßig und auf Dauerhaftigkeit ausgelegt. Fehlende Rechtwinkligkeit und Unregelmäßigkeit bzw. Collage und Dekomposition gehören zu den Gestaltungsprinzipen des postmodernen Bauens 6 . Ein weiteres Gestaltungsprinzip bei größeren Bauvorhaben ist die «gewachsene» Stadt. Anders als in den 1960-und 1970er Jahren werden heuteStadterweiterungsprojekte Schritt für Schritt realisiert. Dass etwas
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