Natur
Erkrankungen und Allergien deutlich zugenommen haben. So arbeiten seit zwei Jahren in der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau Fachleute der grünenBranche gemeinsam mit Ärzten an Strategien eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes durch Stadtgrün. Auch einige Krankenhäuser und Kliniken haben erkannt, dass grüne Umgebungen für die Gesundung und Behandlung z. B. bei Demenz- und Herz-Kreislauferkrankungen von großem Vorteil sind. Dabei scheint nicht die unmittelbare Wirkung durch den Aufenthalt an frischer Luft der entscheidende Faktor zu sein, sondern psychische Wirkungen und Anreize zur Aktivierung körperlicher und geistiger Fähigkeiten stehen hier mehr im Vordergrund. Naturerleben als Therapie könnte eine sinnvolle Ergänzung zur «weißen Medizin» werden.
Die noch größere Bedeutung von Grün und Natur für die Gesundheit liegt aber derzeit in der Möglichkeit, diese für die aktive Gesunderhaltung zu nutzen. Der Trend zum Sport im Freien nimmt stetig zu und spielt sich nicht mehr im Verein ab, sondern wird individuell allein oder in Gruppen gestaltet. Dabei spielen öffentliche Parks in der Stadt oder schöne Wege durch die freie Landschaft eine besonders herausgehobene Rolle, da sie frei verfügbar und zugänglich sind. Angebote für Sport und Fitness in öffentlichen Parks erhöhen insbesondere bei der jüngeren Generation die Attraktivität der Städte und haben damit auch eine hohe sozial- und strukturpolitische Bedeutung für eine Stadt als Wohn-und Wirtschaftsstandort.
Der Wandel in der Nutzung von Stadtgrün und Natur hat in den letzten Jahrhunderten bis Jahren zu sehr charakteristischen Park- und Landschaftsbildern geführt. Die Auffassungen über Natur haben sich ständig gewandelt und werden heute durch die historischen Parks und Kulturlandschaften dokumentiert und teilweise als Gartendenkmal oder Naturdenkmal geschützt. Immer war die Gestaltung von Park und Landschaft Ausdruck der gesellschaftlichen Entwicklung und ihrer kulturellen Grundlagen. Sie waren eine Dokumentation von Macht – auch über die «wilde» Natur – oder auch demokratischer Konsens.
Heute stehen wir vor einer neuen Herausforderung: durch die starken Zuwanderungen in den Städten aus aller Welt, entstehen neue Anforderungen an die Parks und Grünflächen. Der Umgang mit Grün und Natur ist in allen Kulturen sehr unterschiedlich, die Definition von Natur nicht identisch. War der Konsens in den letzten fünfzig Jahren in Deutschland über den Naturbegriff schon nicht einfach herzustellen, so kommt nun eine weitere Herausforderung hinzu. Zugleich treffen die verschiedenen Kulturen primär in den öffentlichen Parks zusammen, die sie jeweils in ihrer gewohnten Weise nutzen – die typischen Bilder sind bekannt. Einen Park für alle Kulturen zu schaffen, einen Konsens im Umgang mit der Naturzu erreichen, ist die größte Herausforderung für die Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur in den nächsten Jahren. Es geht darum, die Natur einerseits vor negativen Veränderungen zu bewahren und sich andererseits den sich ausdifferenzierenden Ansprüchen einer modernen und multikulturellen Gesellschaft zu stellen.
Planung wird in den nächsten Jahren immer mehr zu einem dialogischen Prozess werden müssen, um allen Anforderungen zum Schutz und Entwicklung der Natur sowie zur Befriedigung neuer Nutzungsbedürfnisse einer multikulturellen Gesellschaft zu erfüllen. Die Planer müssen sich noch mehr als bisher mit individuellen und subjektiven Vorstellungen über Natur beschäftigen und in ihre Überlegungen für die Planung integrieren. Insoweit ist dieses Buch eine weitere wichtige Grundlage für Landschaftsarchitekten und Naturschützer.
Heiner Baumgarten
1 Natur aus psychologischer Sicht
1.1 Einleitung
Warum werden Umgebungen, in denen es Bäume gibt, mehrheitlich bevorzugt? Warum lassen Menschen die Stadt hinter sich und fahren hinaus in die grüne Natur? Warum nehmen sie die Mühe einer weiten Reise auf sich, nur um herbstlich gefärbte Landschaften zu erleben? Warum gehen sie in ihrer Freizeit gern in den Stadtpark? Warum kümmern sie sich so intensiv um ihren kleinen Garten hinter dem Haus? Gibt es möglicherweise ein «Naturbedürfnis», das all diese Vorlieben und Verhaltensweisen erklärt? Falls ja, was hat es mit diesem Bedürfnis auf sich und was geschieht, wenn es nicht erfüllt wird?
Schaut man in die Vergangenheit, so stellt man fest, dass die Natur zu allen Zeiten geschätzt
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