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Nea - James erzaehlt –

Nea - James erzaehlt –

Titel: Nea - James erzaehlt – Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Rabengut
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diese Art von Alltagskontrolle über mich aussagt.
    Als ich Englands Ballungszentren im Süden hinter mir gelassen hatte, wusste ich gleich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es waren nur wenige Autos auf den Straßen unterwegs und die leise Musik aus dem Radio war die beste Reisebegleitung, die ich mir vorstellen konnte.
    Nach einigen Stunden konnte ich vor mir die ersten, weich geschwungenen Hügel von Derbyshire erkennen, die mich schon immer mehr an Irland als England erinnert hatten. Ich passierte gerade eine der unzähligen, sattgrünen Wiesen, auf denen Kühe grasten, als ich am Straßenrand einen Wagen sah, der einen platten Reifen hatte. An der Beifahrerseite lehnte eine blonde Frau in einer hochgeschlossenen, gesteppten Jacke, die mir beinahe verzweifelt zuwinkte; in der Hand hielt sie immer noch ihr Handy. Einige Meter vor dem Wagen fuhr ich links heran und schaltete den Motor aus.
    Während ich auf sie zuging, betrachtete sie mit kritischer Miene das Display ihres Telefons. Ich musste nicht auf meines sehen, um zu wissen, dass ich hier ebenfalls keinen Empfang haben würde. Obwohl sie mir ein wenig leid tat – denn wer wusste schon, wie lange sie hier bereits auf Hilfe gewartet hatte – musste ich verhalten lächeln. Wie ihre Stirn sich leicht verärgert kräuselte, war durchaus niedlich.  
    Überhaupt war sie alles andere als unattraktiv: Ihre fast goldenen Haare hatte sie zu einem etwas chaotischen Knoten hinter dem Kopf zusammengebunden, einige Strähnen lagen auf den Schultern ihrer olivfarbenen Steppjacke. Ihre schlanken Beine steckten in einer engen Jeans, die in derben, dunkelbraunen Boots verschwand. Eigentlich war sie nicht unbedingt mein Typ, doch irgendetwas an ihrem ovalen Gesicht mit der elegant spitz zulaufenden Nase erinnerte mich an die junge Valerie Hobson – und eines muss ich Ihnen verraten: Ich habe eine ausgeprägte Schwäche für klassische Schönheiten.
    „Ich dachte schon, ich muss auch anfangen, Gras zu fressen, bevor hier irgendjemand vorbeikommt“, begrüßte sie mich und deutete auf die Weide auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Lachend erwiderte ich: „Ich weiß nicht unbedingt, ob wiederkäuen einer Lady wie Ihnen so gut stehen würde.“
    Verstohlen betrachtete ich ihre Reaktion auf mein subtiles Kompliment. Für einen winzigen Augenblick hoben sich ihre Mundwinkel, doch dann sah sie auf den Boden und vergrub die Hände in den Jackentaschen.
    „Was ist denn das Problem?“, fragte ich.
    Mit dem Kopf deutete sie auf das linke Hinterrad. „Platt und kein Ersatzrad.“ Sie war keine Frau vieler Worte, das gefiel mir. Ich beschloss, keinen Kommentar zum fehlenden Ersatzteil fallen zu lassen. Ich musste die arme Lady ja nicht noch mehr ärgern als notwendig.
    „Kein Problem“, erwiderte ich also genauso knapp und ging zurück zu meinem Wagen – ich hoffte einfach, dass ich für den Rest der Fahrt auch ohne mein Ersatzrad auskommen würde; weit war ich von Amber Valley nicht mehr entfernt.  
    Sie sah mir über die Schulter, als ich ihren Reifen wechselte. Die gesamte Zeit lang kam sonst niemand an uns vorbei. Ein wenig belustigt dachte ich darüber nach, dass ich mich gerade ausgerechnet im Land der großen Rittergeschichten in einer Situation mit einer Jungfrau in Nöten befand. Sofort ertappte ich mich selbst: Als ob diese schöne Frau noch Jungfrau war.  
    Offensichtlich konnte sie das leise Grinsen in meinem Gesicht selbst von hinten erkennen, denn sie fragte: „Ist etwas?“
    Schnell formulierte ich um, was mir eigentlich durch den Kopf ging: „Ich freue mich gerade nur, dass ich einer ,damsel in distress‘ helfen kann.“ Ich vermied bewusst das Wort „Jungfrau“, um nicht möglicherweise schmierig zu klingen.
    Zu meiner Überraschung antwortete sie nur mit einem Ton, den ich nicht deuten konnte: „Hm.“
    Als ich schließlich den Wagenheber unter ihrem Auto hervorzog, klopfte ich mir die Knie ab und sagte: „Das war’s. Sie sollten damit nicht zu schnell und nicht weiter als nötig fahren – aber das wissen Sie vermutlich selbst. Ich hoffe, Sie haben es nicht mehr weit.“
    Mit einem verschmitzten Lächeln sagte sie nur: „Es sind noch ein paar Kilometer. Aber ich vertraue Ihren Fähigkeiten – was bleibt mir auch anderes übrig?“  
    Ich hob meine Hand zum Abschied, sie nickte nur leicht. Als ich bereits ein paar Meter entfernt war, rief sie mir nach: „Darf ich wenigstens wissen, wie mein Ritter heißt?“
    Kurz

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